100 Jahre Deutsche Nationalbibliothek

Leipzig (dpa) - Ohne die Krätze hätte so mancher Dorfbewohner bis ins 19. Jahrhundert hinein nichts zu lesen gehabt: In dem hölzernen Tragekasten nämlich transportierten Hausierer fromme Erbauungsbüchlein und Unterhaltungsstoff und boten sie feil.

Eine originale Krätze aus Baden-Württemberg ist eines der Exponate in der neuen Dauerausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums in Leipzig. Ihre Eröffnung wird an diesem Dienstag mit einem Festakt gefeiert. Es ist zugleich der Startschuss für die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig und Frankfurt/Main, zu der das Museum gehört.

„5000 Jahre Mediengeschichte - das ist unser weiter historischer Rahmen“, erklärt Museumsleiterin Stephanie Jacobs. Dementsprechend trägt die neue Dauerausstellung auch den Titel „Zeichen - Bücher - Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode“. Es hört sich etwas trocken an, aber Jacobs kann anschaulich erklären, was zum Beispiel ein Kerbholz mit den Nullen und Einsen des Computerzeitalters zu tun hat. „Es arbeitet eigentlich mit einem Binärcode, weil es einfach eine Kerbe hat oder nicht. Es ist entweder Eins oder Null.“ Selbstredend, dass ein altes Kerbholz - ein frühes Zeugnis der Gegenstandsschrift - in der Schau zu finden ist.

Die „drei großen Medienrevolutionen“ werden in der modernen Ausstellung gezeigt: die Entstehung der Schrift, die Erfindung des Buchdrucks und der Sprung ins Digitalzeitalter. 1000 hochkarätige Exponate zumeist aus der umfangreichen Sammlung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums wurden dafür ausgewählt. Das 1884 gegründete Museum ist eines der ältesten und bedeutendsten auf dem Gebiet der Buchkultur, eine Million Objekte hat es im Bestand. Seit der Erweiterung der altehrwürdigen Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig ist es im futuristischen Anbau untergebracht.

Die Deutsche Nationalbibliothek besteht 2012 seit 100 Jahren. Sie sammelt sämtliche deutsche Publikationen - 1300 Medien kommen den Angaben zufolge pro Tag hinzu. Das „kulturelle Gedächtnis der Deutschen“ wurde am 3. Oktober 1912 als Deutsche Bücherei in Leipzig gegründet - der Stadt, in der damals das Verlagswesen blühte. Nach der deutschen Teilung wurde in Frankfurt/Main zusätzlich die Deutsche Bibliothek gegründet. Nach der Wiedervereinigung wurden auch die beiden Bibliotheken unter einem Dach zusammengeführt.

Dass Bibliotheken, Buch und Schrift auch im Zeitalter von Smartphones und Touchpads bestehen werden, davon ist Museumschefin Jacobs überzeugt. „Medienpessimismus ist immer ein integraler Bestandteil von Medieninnovationen“, sagt sie. Nach der Erfindung des Fernsehens sei das Buch schon totgesagt worden. Aber das gedruckte Wort überlebte - und kam zum Beispiel in neuer Gestalt von Fernsehzeitungen sehr erfolgreich auf den Markt. Dementsprechend sei auch die Dauerausstellung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum ein optimistischer Blick in die Zukunft. Jacobs: „Es ist kein Abgesang!“