Longlist 20 Titel für Deutschen Buchpreis nominiert

Frankfurt/Main (dpa) - Beim Wühlen durch 199 neue Romane hat die Jury „überraschende Entdeckungen“ gemacht, wie Sprecherin Christine Lötscher sagt. Auch die am Dienstag in Frankfurt veröffentlichte Longlist zum Deutschen Buchpreis ist wieder ein Überraschungspaket geworden.

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Auf der Liste der 20 ausgewählten Autoren, die für den besten deutschsprachigen Roman des Jahres nominiert wurden, stehen bekannte Autoren wie Maxim Biller oder das einstige literarische „Enfant terrible“ Helene Hegemann. Es fehlen aber auch prominente Namen wie etwa der von Bodo Kirchhoff, der einen vielgelobten neuen autobiografischen Roman vorgelegt. Aber Kirchhoff hat schon einmal - vor zwei Jahren - beim Deutschen Buchpreis gesiegt.

Dafür darf sich Arno Geiger, der 2005 als erster Autor den Deutschen Buchpreis gewann, erneut Hoffnungen machen. Mit dem im Januar erschienenen Roman „Unter der Drachenwand“, der überraschend im Frühjahr nicht für den Leipziger Buchpreis nominiert wurde, steht der Österreicher jetzt auf der Longlist.

Angelika Klüssendorf („Jahre später“) hat es mit der Fortsetzung ihres Romanzyklus über das in der DDR aufgewachsene Mädchen April erneut auf die Longlist geschafft. Sie stand in den vergangenen Jahren sogar zweimal schon auf der Shortlist - genauso wie Stephan Thome, der sich in seinem in wenigen Wochen herauskommenden neuen Roman („Gott der Barbaren“) mit einem christlichen Aufstand im China des 19. Jahrhunderts beschäftigt - und einen Bogen zu den Fanatismen der Gegenwart spannt.

„Die Lage der Welt scheint den deutschsprachigen Autorinnen und Autoren auf den Nägeln zu brennen“, sagt Lötscher. „Ihre Romane versuchen diese Fragen in der ganzen poetischen Tiefe auszuloten, indem sie ihre Figuren als Reisende, Suchende oder Vertriebene ihre Vergangenheit und Gegenwart erkunden lassen.“

Das gilt auch für Maxim Biller, der vor wenigen Tagen mit „Sechs Koffer“ eine jüdische Familiengeschichte vorgelegt hat, die ihm bereits begeisterte Kritiken in den Feuilletons einbrachte. Auffällig an der Liste ist aber vor allem, dass zwölf Frauen und acht Männer nominiert sind - im vergangenen Jahr war es vom Geschlechterverhältnis fast umgekehrt. Ein Indiz dafür, dass es nach vier männlichen Siegern beim Deutschen Buchpreis hintereinander mal wieder an der Zeit für eine Frau wäre, wie der Frankfurter Germanistikprofessor Heinz Drügh sagt.

Unter den Autorinnen hätte sich der Literaturwissenschaftler vor allem den neuen Roman von Karen Duve, deren vorhergehendes Buch verrissen wurde, auf der Liste gewünscht. Jetzt sind für ihn neben Hegemann auch Nino Haratischwili („Die Katze und der General“) oder die Schweizer Newcomerin Gianna Molinari mit ihrem Debüt („Hier ist noch alles möglich“) Kandidatinnen für die sechs Titel umfassende Shortlist. Diese wird am 11. September veröffentlicht, bevor dann am 8. Oktober zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse der Sieger verkündet wird.

Die 26-jährige Hegemann, die vor acht Jahren mit „Axolotl Roadkill“ für heftige Diskussionen sorgte, legt in wenigen Tagen ein Buch („Bungalow“) über die radikale Selbstfindung eines Mädchens vor. Haratischwili, die aus dem diesjährigen Buchmesse-Gastland Georgien stammt, hatte vor vier Jahren bereits ein fast 1300 Seiten langes Familienepos vorgelegt - war damals aber zum Entsetzen vieler Kritiker nicht für den Buchpreis nominiert worden.

Ein „sehr offenes Feld“ sieht in diesem Jahr Kritiker Rainer Moritz. „Es gibt keinen Titel, der sich sofort aufdrängt“, sagt der Leiter des Hamburger Literaturhauses. Als Geheimfavorit hat er für sich den in wenigen Tagen erscheinenden Teneriffa-Roman von Inger-Maria Mahlke („Der Archipel“) ausgemacht. „Die leichten Titel hatten es dieses Mal schwer“, bedauert er.

Deshalb ist er sich mit Drügh einig, dass Wolf Haas auf die Longlist gehört hätte. Der mit seinen literarisch-komischen Krimis bekannt gewordene Österreicher beschreibt in seinem neuen Roman die Probleme eines übergewichtigen Teenagers, der sich in eine zehn Jahre ältere Frau verliebt.