Daniel Kehlmanns neuer Roman: Fabelhafter Lug und Trug
Der Autor lässt in seinem neuen Roman „F“ drei Brüder vergeblich nach dem Sinn des Lebens suchen.
Düsseldorf. Ist da oben eigentlich irgendwer? Gibt es wenigstens so etwas wie einen höheren Sinn? Diese Fragen haben schon die Hauptfiguren in Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“ von 2005 umgetrieben — den Forscher Alexander von Humboldt und den Mathematiker Carl Friedrich Gauß.
Weil diese existenziellen Fragen nicht so schnell und leicht zu klären sind, beschäftigen sie auch das Personal in Kehlmanns neuem Roman „F“ — F wie der Familienname Friedland, wie Fälscher oder Fatum, also Schicksal. Ein illustres Trio hat der Autor zusammengestellt. Martin ist Pfarrer geworden, weil er keine Lust hat, „seine Tage im Büro zu versitzen“, außerdem riecht er gern Weihrauch und fühlt sich in halbdunklen Räumen wohl.
An Gott glaubt er zwar nicht, hat aber gehofft, das würde durch tägliches Beten noch kommen. Das hat nicht funktioniert, nun muss der verfressene Kirchenvertreter zusehen, wie er Würde vortäuscht, wenn er im Beichtstuhl Schokoriegel knabbert.
Sein Halbbruder Eric ist ein elender Angeber und Börsenmakler, der das Vermögen seiner Kunden verzockt und der überall Gespenster und Überwachungskameras sieht — ob vor oder nach dem Einwerfen von Psychopharmaka. Dessen Zwilling Iwan kann zwar ganz hübsch malen. Aber weil ihm das Genialische fehlt, verlegt er sich noch vor dem Studienabschluss auf eine Fälscherkarriere, für die er seinen älteren Lebensgefährten geschickt vermarktet.
Nichts als Lug und Betrug in den Zentralbereichen Wirtschaft, Kirche und Kunst — sollten die die Welt nicht im Innersten zusammenhalten?
Es ist ein fabelhaftes Lesevergnügen, wie die Ideen des 38-Jährigen sprudeln, wie er Anspielungen von Schimanski bis Voltaire versteckt, wie er düstere Tragik mit grotesker Komik kombiniert. Er gräbt philosophische Theorien um, schichtet Gedankenhäufchen auf und pustet sie mit einer burlesken Wendung wieder weg.
„Der Zufall ist mächtig“, heißt es. „Plötzlich bekommt man ein Schicksal, das nie für einen bestimmt war.“ Falls überhaupt je etwas bestimmt war. Denn so tröstlich es wäre, eine Vorsehung anzunehmen, wenn einen das Leben mal so richtig beutelt — Kehlmann und seine drei Brüder können da oben beim besten Willen niemanden auftreiben.