Gottschalk und Küng sprechen über Jesus

Berlin (dpa) - Er steige auf wie Jesus aus dem Grab, sagt Thomas Gottschalk, als er auf die Bühne in Berlin schreitet. Dort wartet schon der Theologe Hans Küng, um über sein neues Christus-Buch zu sprechen.

Gottschalk wundert sich im voll besetzten Kino, dass „mehr als drei ältere Damen auf dem Weg vom Reformhaus zum Rosenkranz“ vorbeigeschaut haben. Kurz davor hatte er noch mit Küng und Rudi Völler vor den Kameras geplaudert.

Der Moderator und der Kirchenkritiker, der fränkische Katholik und der Schweizer Professor: Sie reden am Montagabend im Babylon-Kino am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte über Gott und die Welt, den Papst und die Evangelien. Nach einer Stunde ist das Gespräch vorbei. Und auch wenn er bei der Suche nach einem Begleiter für seine ARD-Vorabendrunde nicht weitergekommen ist - der Dialog könnte Vorbild für ein neues Gottschalk-Format sein.

Denn Gottschalk ist gut vorbereitet und fragt Küng kundig und bedächtig über sein Jesus-Bild ab. Er kennt die einschlägigen Passagen und will sich auch ganz sicher sein, dass, „wenn ich Küng folge, auch auf dem Boden der "Una Sancta", also der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche bleibe.“

„Auf jeden Fall“, erwidert der Theologe und holt dann aus zum Angriff auf „B XVI“, wie er Papst Benedikt XVI. gelegentlich nennt. Unter dem aktuellen Papst sehe er kaum Chancen für innerkirchliche Reformen, sagt der einstige Ratzinger-Kollege. „Wahrscheinlich muss das Elend noch größer werden“, meint der 83 Jahre alte Kirchenrebell. „Dieser ganze Prunk“ und der innerkirchliche Gehorsam seien vergleichbar mit dem DDR-Regime. „Was hat das alles noch mit Jesus von Nazareth zu tun?“, fragt Küng. Als Zeitgenosse würde sich Jesus mit Grauen abwenden, meint er.

Ganz neu sind die Thesen nicht. Schon in seinem zentralen Werk „Christ sein“ (1974) hatte der Professor ein Bild des Messias als Menschen gezeichnet. „Welcher Christus ist der wahre Christus“, fragt Küng auch in seinem neuen Buch. Sicher „kein Mann des kirchlichen und gesellschaftlichen Establishments“. Küng: „Er war revolutionärer als die Revolutionäre, Gott näher als die Priester im Tempel und strenger zu sich als die Asketen in der Wüste.“

Und immer wieder Joseph Ratzinger. Er habe einen „Gegenentwurf“ zu den Jesus-Büchern seines früheren Tübinger Kollegen und akademischen Rivalen vorgelegt. „Das Christentum ist nicht auf Fabeln, Legenden und Dogmen aufgebaut.“ Schon in seiner „Einführung ins Christentum“ habe Ratzinger eine polemische Karikatur der Jesus-Forschung geboten, „während ich die historisch-kritische Exegese entschieden aufnahm“, schreibt der Kirchenkritiker. Er stütze sich dabei ausschließlich auf die Überlieferung des Neuen Testaments.

Gottschalk, Ex-Ministrant, „Tante Ordensschwester, Onkel Pfarrer“, äußert Sympathien für Küngs Thesen über Christus als geschichtliche Gestalt. Bei der Lektüre der Jesus-Bücher des Papstes habe er „jede Menge Weihrauch wegpusten müssen“. Er empfiehlt den Zuhörern Küngs Buch. „Wenn ich es verstanden habe, werden Sie es auch verstehen.“ Er sei aber hilflos, seinen Kindern religiöse Werte so zu vermitteln, wie er sie als Kind und Jugendlicher erlebt habe. Mit den Jahren werde die Skepsis größer.

Küng weiß eine Antwort. Gottschalk lebe den Glauben vor, sagt der Theologe und lobt die Treue zu seiner Frau - „Mischehe, Mischehe“, ruft der Moderator in den Saal und meint damit wohl die langjährige Beziehung zu einer Nicht-Katholikin.