Jaron Lanier von Friedenspreis überrascht
Berkeley/Frankfurt/Main (dpa) - Der US-Autor und Tech-Wissenschaftler Jaron Lanier schreibt in seinem jüngsten Buch („Wem gehört die Zukunft?“) über die Gefahren der digitalen Welt. Es geht unter anderem um den Missbrauch der Sammelwut von Daten für kommerzielle Zwecke.
Lanier, der sich auch als Musiker und Bildender Künstler einen Namen gemacht hat, lebt in der kalifornischen Universitätsstadt Berkeley bei San Francisco. Der Preis sei eine große Anerkennung, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Frage: Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht erstmals an einen Vordenker aus der digitalen Welt. Hat Sie das überrascht?
Antwort: In unserem jetzigen Umfeld gibt es keinen Zweifel daran, dass die digitale Technologie einen außergewöhnlich starken Einfluss auf die Welt hat. Was mich als Preisempfänger überrascht, ist die Tatsache, dass dieser Preis mit viel Geschichte und mit Inhalten zu tun hat, die wir gewöhnlich nicht mit hoher Technologie in Verbindung bringen. Damit wird anerkannt, wie sich die Welt verändert und wie Technologie Kultur und Gesellschaft bestimmt.
Frage: In Ihrem Buch „Wem gehört die Zukunft?“ weisen Sie unter anderem auf Ausbeutung und Überwachung im Netz hin. Was hat Ihre Sichtweise geprägt?
Antwort: Viele meiner Freunde und Kollegen waren regelrecht süchtig nach dem Kick von neuen Ideen und dem Thrill der technischen Revolution. Sie nahmen die schlechten Seiten dieser Entwicklung gar nicht wahr. Das hat mich sehr gestört. In Kalifornien, wo ich lebe, herrscht eine gewisse Arroganz, dass wir hier eine bessere Vision für die Zukunft der Gesellschaft haben. Es gibt aber auch viele Leute in Silicon Valley, die ebenfalls Zweifel haben, und das hat teilweise - wie auch bei mir - mit deren Familienhintergrund zu tun. Und damit, dass es in ihrem Umkreis Opfer gab, die unter den utopischen Ideen anderer Menschen litten. Meine Mutter stammt aus Wien, sie ist eine Konzentrationslagerüberlebende, das hat mich sehr geprägt.
Frage: Sie gelten als Technologie-Guru, Internet-Pionier und als Vater des Begriffs „virtuelle Realität“. Wann kamen erste Bedenken auf?
Antwort: Meine Sichtweise begann sich um die Jahrtausendwende herum zu ändern. Ich bin auch Musiker und als Erstes fiel mir auf, dass viele Künstler plötzlich weniger verdienten und große Geldsorgen hatten. Ich musste feststellen, dass unser Ideal von kostenloser Musik im Netz auch schlechte Seiten hatte.
Frage: Sie arbeiten weiter im Tech-Bereich und schreiben Bücher. Was ist Ihnen wichtiger geworden?
Antwort: Hätten Sie mich vor zehn Jahren gefragt, hätte ich gesagt, dass es besser ist, die Technologie direkt zu beeinflussen, statt Bücher zu schreiben. Heute halte ich beides für wichtig und werde auch beides weiter verfolgen.
Frage: Der Buchpreis ist mit 25 000 Euro dotiert. Wissen Sie schon, was Sie mit dem Geld machen werden?
Antwort: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Spontan würde ich sagen, dass ich in Deutschland in ein Musikgeschäft gehe und mir ein weiteres Instrument kaufe, das ist eine meiner Schwächen. Ich werde mir noch etwas ausdenken. Das Geld, finde ich, soll etwas Gutes bewirken.