Lit.Cologne: Herr Lehmann kehrt zurück

Lesung: Sven Regener liest zum ersten Mal aus dem letzten Teil seiner Trilogie.

Köln. Er prustet vor Lachen und kann nicht weiterlesen. "Ziemlicher Quatsch", kommentiert Sven Regener seine verschwurbelten Dialoge, die er dem nachdenklichen Frank Lehmann und seinem fluchenden Beifahrer Wolli in den Mund legt. Die beiden sitzen im röhrenden Kadett auf dem Weg nach Berlin und schwadronieren darüber, dass Wolli mal Tuba im Spielmannszug gespielt hat, bevor er Punk wurde, und Lehmann sich an seiner Seite fühlt, wie die entführte Patty Hearst, und dass er sich Berlin urbaner vorgestellt hat: "Ich dachte, da wird nicht lang rumgedödelt mit der Stadt." Doch was er hinter der Transitstrecke sieht, sind "Hütten, Wege und Wälder".

Mit "Der kleine Bruder", dem letzten Teil seiner Lehmann-Trilogie, schließt Regener genau da an, wo er in "Neue Vahr Süd" aufgehört hat: 1980 verlässt Frank nach seinem Dienst bei der Bundeswehr Bremen, um in Berlin bei seinem großen Bruder Manfred unterzukommen. Ein neues Leben - das ist der Plan, allerdings einer mit Schönheitsfehlern: "Man kann kein neues Leben anfangen und so einen wie Wolli dabei haben."

Das Buch erscheint erst am 1.September, doch im Kölner Tanzbrunnen macht der Bremer Autor bei seiner Lit.Cologne-Lesung schon jetzt Lust auf die Fortsetzung. Als Auftakt für das Frank-Lehmann-Jahr, kündigt Regener selbstironisch an. Der Saal ist voll besetzt, und das Publikum vertraut mit den Hindernissen, die sich diesem stets so bedachten und positiv gesinnten Helden Lehmann in den Weg stellen: uneinsichtige Busfahrer, angetrunkene Hunde oder Gitanes-ohne-Filter-Dauerraucher.

Wer vergessen hat, wie es im ersten Teil in Berlin kurz vor dem Mauerfall und im zweiten als Hippie-Typ beim Bund in Bremen lief, dem hilft Regener auf die Sprünge. Beim Lesen galoppiert er durch die Zeilen, die Gedanken überschlagen sich ebenso wie manchmal seine Stimme. Schnell schiebt er die Brille wieder hoch, wechselt am Rednerpult, an dem er einsam auf der großen Bühne steht, von einem auf den anderen Fuß. Die Flasche Becks immer griffbereit. Erstaunt und atemlos folgt man diesen fein beobachteten und grandios lässig in aberwitzigen Dialogen festgehaltenen Milieustudien.

Kann Regener, der auch mit seiner Band Element of Crime seit Jahren auf Tour geht, in seinen Texten wortreich über zarteste Befindlichkeiten philosophieren, hält er sich mit seinen Kommentaren bei der Lesung zurück. Nur so viel stellt er klar: Bücher signieren gibt es nicht. Das schaffe er einfach nicht. "Der Kölner liebt ja den Freak, deshalb kann ich das hier auch sagen. Ich habe, was Bücher signieren angeht, einen psychischen Defekt." Das ist eine Geschichte, die man sich in den gewundenen Ausführungen von Herrn Lehmann ziemlich gut vorstellen kann.