Meister des schwarzen Humors: Tom Sharpe gestorben
London (dpa) - Seine Geschichten sind schreiend komisch, bitterböse, für manche überschreiten sie die Grenzen des guten Geschmacks - doch sie haben Tom Sharpe den Ruf eines Meisters des schwarzen Humors gesichert und ihn zum Bestseller-Autor gemacht.
Am Donnerstag ist der Brite in seiner Wahlheimat Spanien im Alter von 85 Jahren gestorben. Noch zu seinem Geburtstag am 30. März hatte er der Nachrichtenagentur dpa gesagt: „Ich möchte mich nicht ausruhen, ich möchte schreiben.“ Wann immer seine Gesundheit es zuließ, tat er das auch.
Sharpe wurde 1928 als Sohn einer Südafrikanerin und eines britischen Pfarrers in London geboren. Er griff früh zur Feder: „Ich habe angefangen zu schreiben, als ich noch ganz jung war“, erklärte er. „Vor allem Poesie.“ Nach seinem Dienst als Marinesoldat studierte er Literatur und deutsche Geschichte in Cambridge. Danach ging er als Sozialarbeiter, Lehrer und Fotograf nach Südafrika, wo er mehrere erfolglose politische Theaterstücke schrieb. 1961 wurde er wegen seiner Kritik an der Apartheid ausgewiesen und ging zurück nach England.
In Südafrika habe er schreckliche Dinge gesehen, erzählt Sharpe: „Ich hasste es, wie Schwarze behandelt wurden.“ Verarbeitet hat er die Erlebnisse in seinem ersten Roman „Tohuwabohu“ (1971). Darin nimmt er die weiße Arroganz und autoritäre Brutalität gegenüber Dunkelhäutigen aufs Korn. Das Buch wurde ein Erfolg, wie auch „Mohrenwäsche“ (1973). Die Satire hatte ihn gefunden. Wenig später schuf er den ersten Roman mit seiner wohl wichtigsten literarischen Figur: dem Berufsschullehrer Henry Wilt.
Zum ersten Mal taucht der Mann, der „schlecht im Bett ist und das Gehirn eines Grashüpfers hat“, in „Puppenmord“ (1976) auf. Die Vorlage wurde später mit Griff Rhys Jones in der Hauptrolle verfilmt. 2010 hatte Wilt in „Henry haut ab“ zum sechsten Mal mit dem Leben zu hadern. Wilt, dem Anti-Helden, machen seine Frau, Kollegen und Schüler das Leben zur Hölle, dauernd gerät er in peinliche Verwicklungen. Vielleicht genau deswegen sind die Bücher so erfolgreich. Wilt sei beliebt bei Lesern, weil er ein Durchschnittsmensch sei, schätzte Sharpes Frau Nancy, eine Amerikanerin.
Doch nicht nur Durchschnittsmenschen wie Wilt bekommen Sharpes Sarkasmus zu spüren, sondern auch die feine und dünkelhafte englische Gesellschaft. In seinen Romanen skizziert der Autor menschliche Schwächen, Träume und Perversionen überschwänglich und grotesk. Die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet er ständig. Dass er damit nicht allen gefiel, war ihm immer bewusst. Er wisse, wie schlecht einige seiner Witze seien, sagte er einmal. Doch er lasse sie stehen, weil er wisse, dass sie auch manche Leser mögen werden.
Sharpe, der von manchen als witzigster britischer Romanautor bezeichnet wird, ähnele zwar seiner bekanntesten Romanfigur Wilt, sei aber nicht so langweilig wie dieser, erzählte seine Frau kurz vor seinem Geburtstag: „Tom ist charismatisch, charmant, liebt es, zu reden.“ Doch schon im Frühjahr hatte sie angedeutet, dass ihm dies nicht mehr so leicht falle. Sein Gesundheitszustand war schon da nicht der beste. Vor einigen Jahren hatte er einen Herzinfarkt, und von einer Operation am Fuß im vergangenen Jahr hatte er sich noch nicht ganz erholt. Trotzdem feilte er, wann immer er konnte, an einem weiteren Wilt-Buch.
Seit ein paar Jahren wohnte Sharpe alleine in einer Villa an der spanischen Costa Brava. Zurück nach Großbritannien wollte er nicht, wegen des schlechten britischen Gesundheitssystems, wie er erklärte. Seine Frau, die in Cambridge lebt, besuchte ihn oft. Die beiden hatten 1969 geheiratet. Auch beim Heiratsantrag geizte der Autor nicht mit schwarzem Humor: „Ich habe ihr einen Antrag gemacht und gesagt, ich liebe dich nicht, möchte dich aber heiraten.“ Sie sagte trotzdem ja. Seinen 85. Geburtstag hatte er im kleinen Kreis in Spanien gefeiert - zwar ohne Party, aber mit „Zigarren, guten Whisky, Kaffee und feinem Essen“, wie Frau Nancy verriet.