Taschenbuch-Tipps: Von der Innenwelt eines Schizophrenen in raues irisches Klima
Die WZ empfiehlt drei Taschenbuch-Neuerscheinungen.
Ian Sansom: Bücher auf Rädern Der Jungbibliothekar Israel Armstrong, der sich lange als Verkäufer in einer Billigbuchhandlung im Norden Londons durchgeschlagen hat, geht in die irische Provinz, um eine Stadtbibliothek zu übernehmen. Dort erwartet den dicklichen, unsportlichen Brillenträger statt des glamourösen Karrieresprungbretts ein rauer Empfang. Nicht nur, dass die Stadtbibliothek vollständig leergeräumt ist, auch sperren sich die Bewohner der Gegend merkwürdig wortkarg und mürrisch gegen den Neuankömmling. Israel, ein Don Quijote der Neuzeit, muss sich als Detektiv betätigen. Ian Sansom ist mit dem dialogreichen, flotten "Bücher auf Rädern" (Piper, 12 Euro) eine Annäherung an seine Wahlheimat Irland und deren Bewohner gelungen, eine sympathische und stellenweise urkomische Hommage auf die etwas brutale Herzlichkeit des Inselvölkchens.
Patrick Hamilton: Hangover Square "Er war in sie verhasst." George Harvey Bone, Looser und haltloser Trinker, ist in Netta, eine schlechte Schauspielerin und ein eiskaltes Luder, vernarrt. Mit ihr und ihrer snobistischen Säufer-Clique zieht er durch die Londoner Pubs des Jahres 1939, von den anderen gedemütigt und ausgenutzt. Die aggressive Seite seiner Gefühlswelt bricht sich Bahn in schizoiden Phasen und führt mit Tragik und subtiler Spannung zu einem Ende starken Tobaks. Patrick Hamilton - berühmt für sein unter dem Titel "Cocktail für eine Leiche" von Hitchcock verfilmtes Theaterstück "Rope" - kannte als starker Trinker bestens das Milieu, über das er schrieb. Sein Roman "Hangover Square" (Suhrkamp, 12 Euro) ist eine suggestiv-reale Schilderung der Innenwelt eines Schizophrenen und der Stimmung der Zeit kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Arno Geiger: Es geht uns gut Das Jahr 2001. Es geht ihm gut: Philipp Erlach, Mittdreißiger und gelangweilter Schriftsteller, hat die Familienvilla geerbt, will aber mit dem ganzen Plunder an Familiengeschichte, Schriftkram und altem Gerümpel nichts zu tun haben. Lieber spinnt er Ansätze eigener, dramatischer Versionen der Historie zusammen. Die "wirklichen" Begebenheiten dagegen erzählt sein Erfinder, der Österreicher Arno Geiger, der mit "Es geht uns gut" (dtv, 9,50 Euro) den Deutschen Buchpreis 2005 errang. Schlaglichter in die Vergangenheit der Jahre 1938 bis 2001 greifen Generationentypisches auf. Ein nahezu anekdotisches Nebeneinander der Figuren, das symptomatisch sein mag für den unabhängigen Lebensdrang überhaupt. Auch Philipp findet es am Ende spannender, mit zwei Ukrainern, die ihm das Haus ausgemistet haben, auf Reise zu gehen - seine ureigene, ungeschriebene Geschichte.