„Wallander“ machte ihn zum Star: Henning Mankell gestorben
Stockholm (dpa) - Kommissar Kurt Wallander machte ihn berühmt. Einen Roman nach dem anderen schrieb der schwedische Krimi-Autor Henning Mankell über den mürrischen Ermittler aus Ystad. Kaum gedruckt, rissen ihm Leser auf der ganzen Welt die Geschichten gierig aus den Händen.
Am Montag ist Mankell, schwer krebskrank, im Alter von 67 Jahren in Göteborg gestorben. „Wäre die schwedische Kriminalliteratur ein Reich, dann hätte Henning Mankell Präsident sein sollen“, sagte sein Schriftsteller-Kollege Håkan Nesser.
Mehr als 15 Millionen Wallander-Bücher verkaufte Mankell allein im deutschsprachigen Raum. Seine Werke wurden in 40 Sprachen übersetzt, weltweit setzte der Handel über 40 Millionen Mankell-Bücher ab, davon der Großteil Wallander-Krimis. Ein Bestseller nach dem anderen - von „Mörder ohne Gesicht“ bis „Mittsommermord“ - wurde verfilmt. Schauspieler Krister Henriksson, TV-Darsteller des Kommissars Wallander, sagte am Montag der Zeitung „Expressen“: „Ich fühle einfach eine große, unendliche Leere. Weil Henning einen großen Platz in meinem Leben einnahm. Wir waren sehr, sehr gute Freunde. Henning war ein großartiger Schriftsteller, jeder weiß das. Er war wirklich ein großartiger Mensch.“
Doch Mankell war mehr als ein rastloser Krimi-Schreiber. Immer war der Schwede mit mehreren Projekten gleichzeitig beschäftigt - schrieb einen neuen Thriller, drehte eine Serie für das schwedische Fernsehen, produzierte ein neues Theaterstück. Das erste, was er je geschrieben habe, sei ein einseitiger Aufsatz über Robinson Crusoe gewesen, verriet Mankell auf seiner Internetseite. „Das war der Moment, in dem ich Schriftsteller geworden bin.“
Neben Skandinavien nannte der gebürtige Stockholmer Afrika seine Heimat. Seit Mitte der 80er Jahre verbrachte Mankell viel Zeit in Mosambiks Hauptstadt Maputo, arbeitete dort an einem Theater, engagierte sich gegen Armut und Analphabetismus. „Meine Zeit zwischen Afrika und Europa aufzuteilen, hat mir Perspektiven und Distanz geschenkt, und ich glaube, es hat mich zu einem besseren Europäer gemacht“, erklärte Mankell online. „Beide Orte sind mein Zuhause.“
Der Schwede schrieb auch über den Kontinent: „Der Chronist der Winde“ über das Leben von Straßenkindern in Maputo war 1995 der erste in einer Reihe von Afrika-Romanen. 2012 erschien „Erinnerung an einen schmutzigen Engel“, in der Mankell das Leben einer schwedischen Bordell-Besitzerin in Mosambik vor einem Jahrhundert beschrieb.
Keine anderen Bücher des Schweden sind jedoch so beliebt wie die Krimis um den knurrigen Wallander. Dabei war der Ermittler seinem literarischen Vater gar nicht so sympathisch, wie Mankell auf seiner Internetseite schrieb: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir Freunde wären, wenn wir uns im richtigen Leben treffen würden. Wir teilen die Liebe zur Musik und eine calvinistische Arbeitseinstellung, aber ansonsten sind wir ziemlich verschieden und ich mag ihn nicht besonders.“
Trotzdem ließ der Schriftsteller seinen Romanhelden 2013 noch einmal zurückkehren, als er sich längst von ihm verabschiedet hatte. In „Mord im Herbst“ hatte Wallander seinen allerletzten Auftritt.
Nicht nur in Mankells Büchern spielten Gesellschaftskritik und Politik oft eine Rolle. Politisch engagierte sich der Sohn eines Richters und überzeugte Sozialist auch für die Sache der Palästinenser. 2010 machte Mankell die Reise der „Gaza-Hilfsflotte“ Richtung Palästina mit, die von israelischen Soldaten mit einem blutigen Einsatz gestoppt wurde. Neun türkische Mitreisende starben.
„Die haben versucht, mich zu töten, aber sie haben es nicht geschafft“, sagte Mankell darüber in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Nach seiner mehrtägigen Internierung warf der Autor Israel „Seeräuberei und Kidnapping in internationalen Gewässern“ vor.
Ende 2013 wurde bei Mankell ein bösartiger Lungen-Tumor festgestellt. Als der Schwede seine Krebserkrankung im Januar 2014 in der Zeitung „Göteborgs Posten“ öffentlich machte, ereilten ihn Genesungswünsche aus aller Welt. „Ein Kampf aus der Perspektive des Lebens“, überschrieb er seinen Text.
Jeden Schritt des Kampfes beschrieb der beliebte Schriftsteller den Lesern von da an in einer Kolumne für die Zeitung. „Im Nachhinein kann ich nun an das Ganze wie an einen langen Alptraum denken, der keine Rücksicht darauf nahm, ob ich schlief oder wach war“, berichtete Mankell dort über die Anfangszeit seiner Krankheit.
Doch selbst dieser tückische Tumor inspirierte den Literaten noch zu einem Buch: Im gerade auf Deutsch erschienenen „Treibsand“ sinniert Mankell über sein Leben mit der Krankheit, seine Angst vor dem Tod und sucht eine Antwort auf die Frage, „was es heißt, Mensch zu sein“. Hier kommen die Leser dem Literatur-Weltstar noch einmal sehr nahe.
An seiner Seite stand zuletzt vor allem ein Mensch: Dankbar, so schrieb Mankell in seiner Kolumne, sei er für die Unterstützung seiner Frau Eva - einer Tochter des berühmten Filmregisseurs Ingmar Bergman, mit der er seit 1998 verheiratet war.