Allein gegen Hollywood

Sean Penn gilt als Gegner der Traumfabrik. Trotzdem wird der Schauspieler und Regisseur hofiert. Beim Filmfestival von Cannes leitet er in diesem Jahr die Jury.

Düsseldorf. Eigentlich sieht er immer schlecht gelaunt aus: der Mund zu einem Strich verkniffen, die Stirn in tiefe Falten gelegt, trauriger Blick. Ob er auch so auf dem roten Teppich in Cannes erscheinen wird, wo er ab 14. Mai als Präsident der Jury vorsteht? So viel Glamour, so viel Repräsentieren, ob das dem zurückgezogen lebenden Sean Penn bekommt?

Obwohl einer der großartigsten Schauspieler seiner Generation, ist er nicht gerade beliebt bei den Kollegen. Er lehnt den Hollywood-Zirkus ab, gibt sich als ein Spielverderber im Sandkasten der Schönen und Erfolgreichen. Sein soziales Engagement wirkt dagegen manchmal etwas verbohrt. Er sucht, er zweifelt, er hinterfragt: Er ist ein unverbesserlicher Moralist, von denen es in Hollywood nicht so viele gibt.

Ebenso konsequent wählt er seine Rollen aus. Meist sind es Außenseiter voller dunkler Energie, denen die Krater seines Gesichts als Landkarte der Seele dienen: in "Dead Man Walking" ein zum Tode verurteilter Mörder, in "21 Gramm" ein dem Tode entronnener Mann, der mit dem Leben hadert, in "Mystic River" ein Vater, der seinen ehemaligen Freund und den vermeintlichen Mörder seiner Tochter selbst richtet.

Diese Rolle brachte ihm einen Oscar. Sean Penn, der die Verleihung bisher immer mied, erschien auf Bitten seines Regisseurs Clint Eastwood und nahm artig - und auch etwas gerührt - den Oscar als bester Hauptdarsteller entgegen. Er macht keine halben Sachen, besticht deshalb durch die Intensität, die er in jede Rolle legt, die Wut und Unerbittlichkeit seiner Figuren, die sich nie mit etwas zufrieden geben. Genau wie er selbst.

Wahrscheinlich führt der 47-Jährige auch deshalb zunehmend selbst Regie. Um seine eigene Vision umzusetzen, um existenzielle Fragen zu stellen und nach dem zu suchen, was im Leben oft fehlt: Integrität und Authentizität. Zuletzt in seinem Film "Into the Wild" nach dem Bestseller von Jon Krakauer.

Darin beschreibt Krakauer den Weg des Studenten Christopher McCandless zum Aussteiger in den Bergen Alaskas, wo er schließlich stirbt. Auch er ist ein Sinnsucher, der in der Natur zu sich selbst und einem authentischen Leben finden will. "In der Natur lernst Du Bescheidenheit. Dort wirst Du vielleicht keine wahren Antworten finden. Aber du wirst sicher die falschen Antworten vergessen, mit denen du dich umgibst", sagte Penn.

Ein bisschen von McCandless steckt sicher auch in Sean Penn, selbst getrieben von Abenteuer- und Wanderlust. So nahm er das Angebot des "San Francisco Chronicle", die Zeitung seiner derzeitigen Heimatstadt, in den Nahen Osten zu fahren und darüber zu berichten, dankbar an. Penn ließ nie eine Gelegenheit aus, seinem Feind, George W. Bush, öffentlich dessen Unfähigkeit unter die Nase zu reiben.

Für 60 000 Dollar kaufte er 2002 eine Zeitungsanzeige für einen offenen Brief an den Präsidenten, in dem er ihn aufforderte, nicht in den Irakkrieg zu ziehen. Kritik erntete Penn, als er 2005 nach dem Hurrikan Katrina nach New Orleans reiste, um Hilfsgüter zu transportieren. Für seine Fans ein selbstloser Idealist, warfen ihm seine Feinde vor, publicitysüchtig zu sein.

Dabei zieht sich der Star sonst eher zurück, lebt mit seiner zweiten Frau (die Ehe mit Madonna wurde 1989 geschieden) und den zwei Söhnen im Marin County nahe San Francisco. Die im Dezember eingereichte Scheidung hat seine Frau, die Schauspielerin Robin Wright Pen³n, wieder zurückgezogen. Man wird sehen, mit wem sich Sean Penn auf dem roten Teppich in Cannes präsentiert. Und ob er vielleicht ausnahmsweise einmal lächelt.