Buh-Gewitter in Bayreuth
Hans Neuenfels überzeugt nicht mit seiner Inszenierung, aber die Sänger ernten Beifall.
Bayreuth. Hans Neuenfels hat nicht überzeugt. Seine Neuinszenierung von Richard Wagners romantischer Oper "Lohengrin" als Debüt bei den am Sonntag eröffneten Bayreuther Festspielen machte das Publikum weitgehend ratlos. Nach der Premiere erntete er im Beisein von vielen Prominenten aus Kultur, Politik und Showgeschäft ein Buh-Gewitter mit nur einzelnen Bravo-Rufen.
Der skandalerprobte Regisseur zuckte mit den Schultern und warf Kusshändchen ins Publikum, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die dem Regisseur demonstrativ Beifall zollte. Die Festspielleiterinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier stellten sich auf der Bühne an die Seite des Regisseurs.
Die größten Irritationen beim Publikum lösten die Ratten aus. Als Symbol für den "letzten Weltenentwurf im Versuchslabor" ließ Neuenfels den Chor als Großgruppe von Laborrratten das scheiternde Liebespaar Lohengrin und Elsa umspielen. Damit entfernte sich der Regisseur sehr weit vom Idealbild der beliebtesten Oper des Bayreuther Meisters. Der Brautchor ("Treulich geführt") von schwarzen, weißen und rosafarbenen Ratten gesungen - das war für manche Bayreuth-Anhänger doch zu viel.
Auf die zu erwartenden heftigen Reaktionen auf seine Inszenierung angesprochen, meinte der 69-Jährige bereits vorab, auch der "Jahrhundert-Ring" von Patrice Chereau und Pierre Boulez von 1976 sei zunächst teilweise ein Publikums-Desaster gewesen und später mit 80-minütigem Schlussapplaus gefeiert worden. Mit diesem Vergleich dürfte der Regisseur jedoch etwas zu hoch gegriffen haben.
Neuenfels hat sich mit seiner zentralen Frage, ob der Mensch noch zu retten ist, einfach zuviel vorgenommen und so eher eine Kopfgeburt statt einer spannenden Sicht auf Wagners einst meistgespielte Oper geschaffen.
Überwiegenden Jubel gab es für die meisten Solisten, allen voran die Bayreuth-Debütanten Jonas Kaufmann als Lohengrin und Annette Dasch als (von Pfeilen durchbohrte) Elsa, deren Liebe am mangelnden Vertrauen scheitert. Die Ortrud sang Evelyn Herlitzius, den Telramund der kurzfristig eingesprungene Hans-Joachim Ketelsen. Eine Glanzleistung bot Georg Zeppenfeld als König Heinrich.
Einige unverdiente Buh-Rufe gab es für den erst 31-jährigen lettischen Dirigenten Andris Nelsons, der das Orchester mit sensibler Hand auch durch lautere Klangpassagen führte.
Der Regisseur hat indes Geschmack an dem "Kaff" (Neuenfels) Bayreuth gefunden und möchte am nächsten "Ring" 2013 mitwirken: "Ich komme auf jeden Fall wieder - wenn man mich holt." Katharina Wagner, die sich schon für Christoph Schlingensief stark gemacht hat, scheint nicht abgeneigt.