Charly Hübner: „Es gibt einen Schalk in mir“
Charly Hübner ist aus „Das Leben der Anderen“ bekannt. Nun ist er im Theater zu sehen — mit „Der Kirschgarten“.
Herr Hübner, was hat Sie gereizt, in der Kölner Inszenierung von Tschechows „Der Kirschgarten“ die Rolle des Lopachin zu übernehmen?
Charly Hübner: „Der Kirschgarten“ ist eines meiner Lieblingsstücke und der Kaufmann Lopachin eine der Rollen, an der ich mich gern ‚abarbeite’. Das hat auch mit meiner Biografie zu tun. Ich war 17 Jahre, als die Mauer fiel. Ich bin also ein Wende-Teenager und habe gesehen, wie Menschen, die früher „klein“ waren, die Gelegenheit bekamen, „groß“ zu werden und umgekehrt. Etwas Ähnliches geschieht auch mit Lopachin.
Gibt es etwas, das Sie persönlich mit Lopachin verbindet?
Hübner: Meine Art des Spiels strahlt, ohne dass mir das bewusst ist, eine gewisse Bodenständigkeit und Realitätsnähe aus. Da spielt sicher das Mecklenburgisch-Norddeutsche eine Rolle. Ich bin in einer Siedlung in Feldberg in Mecklenburg-Strelitz aufgewachsen, wo nur Handwerker und Bauern lebten. Mein Vater war eigentlich Gastronom und ist dann zum Kulturfunktionär und stellvertretenden Bürgermeister aufgestiegen.
Warum haben Sie zunächst am Theater gearbeitet, seit 2002 aber nur noch Filme gedreht?
Hübner: Ich habe in den 90er Jahren gemeinsam mit Kollegen eine freie Gruppe gegründet, die am Frankfurter Schauspiel, später am Theater am Turm (TAT) aufgetreten ist. Ich fand das bis zuletzt eine Supersache, doch nachdem wir uns sieben Jahre aneinander abgearbeitet hatten, war ich damit durch. Ich hatte das Gefühl, mich nur noch in Denkmustern zu bewegen. Damals entstand die Idee, zum Film zu gehen.
Was waren Ihre Ziele beim Film?
Hübner: Am Anfang ging es nur darum, wie die Miete reinkommt. Dann wiederholten sich die Angebote für bestimmte Figuren. Ich hatte Anfragen für 20 Rocker und 40 Wirte, aber keine für eine Liebesgeschichte. Nach drei Jahren haben meine Agentin und ich versucht, da Struktur reinzubringen und uns jedes Jahr eine neue Aufgabe gestellt.
Kam mit der Figur des Udo Leye in „Das Leben der Anderen“ der Durchbruch?
Hübner: Innerhalb der Branche fand der schon vorher statt. In einem Tatort mit Maria Furtwängler habe ich einen horoskopverliebten Dorfpolizisten gespielt. Das war meine erste große Fernsehrolle und da merkte die Szene schon auf. Dann folgte ein weiterer Tatort mit Robert Atzorn. Danach kamen zahlreiche Einladungen zu Castings. „Das Leben der Anderen“ war für die Branche dann schon die Bestätigung, für die Öffentlichkeit dagegen der Knaller.
Wie wichtig ist Ihnen, dass Figuren eine komische Seite haben?
Hübner: Es gibt anscheinend einen sanften Schalk in mir. Ich schaue immer, wie ich einer Sache, die zu „dröge“ wird, wieder mehr Leichtigkeit verleihen kann. Bei Udo Leye stand das aber schon im Drehbuch.
Was mögen sie an der Rolle des düsteren Kommissar Alexander Bukow in Polizeiruf 110?
Hübner: Mich hat vor allem die Zusammenarbeit mit Anneke Kim Sarnau als Profilerin gereizt. Wichtig war auch, dass der Polizeiruf in der Region spielt, aus der ich komme. Drittens ist Kommissar Bukow eine Figur mit einem doppelten Boden. Man weiß nicht, wer er eigentlich ist. In der Figur steckt viel drin und das eröffnet mir die Chance, diesen doppelten Boden über die Jahre zu zeigen.
Wie kam es, dass Sie seit 2008 wieder Theater spielen?
Hübner: Schuld daran ist mein alter Kumpel Roland Schimmelpfennig. Er wollte mich bei seiner Inszenierung von Justine Cortes Stück „Die Ratte“ dabei haben. Danach spielte ich in seinem Stück „Hier und Jetzt“ unter der Regie von Jürgen Gosch mit. Goschs Spielleitung war das Spannendste, was ich je erlebt habe. Jede Probe war wie eine Vorstellung. Wir haben dann noch bis zu seinem Tod an seiner Inszenierung der „Bakchen“ gearbeitet. Obwohl ich gar nicht so viel Lebenszeit mit ihm verbracht habe, fühle ich mich jetzt wie ein Stromkabel ohne Steckdose.
Was reizt Sie am Theater?
Hübner: Die Erfahrung, bei einer Probe ausgeliefert zu sein, den Stoff des Stücks zu kapieren und spielerisch in Fahrt zu kommen, das soziale Miteinander in einem Haus in homöopathischen Dosen mitzuerleben — das ist mit das Beste, was es in diesem Beruf gibt.