„Dantons Tod“ als lautes Leiden an der Gegenwart
Hamburg (dpa) - Die 30-jährige Jette Steckel gilt als wohl gefeiertste junge Regisseurin der Republik. Am Hamburger Thalia-Theater hat sie jetzt Büchners „Dantons Tod“ inszeniert.
Als lauten Aufschrei angesichts einer als blutig ungerecht erfahrenen Gegenwart hat Jette Steckel am Hamburger Thalia-Theater Georg Büchners Dramenerstling „Dantons Tod“ von 1835 inszeniert. Mit aggressivem Schlagzeugsound und einer überwiegend jungen Darstellerriege lässt die 30 Jahre alte Regisseurin Sätze wie „Die Diktatur ist unvermeidlich. Die Demokratie ist eine Illusion. Ich bin verrückt“ ins Publikum schleudern. Dem verzweifelten juvenilen Furor applaudierten die Premierenzuschauer am Samstagabend lange, doch für Steckel gab es auch Buhrufe.
Ihren direkten Bezug zum Heute unterstreicht die oft bildkräftige Aufführung mit zusätzlichen Zahlen und Fakten. „Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind“, doziert der Revolutionär Camille (Mirco Kreibich) wie ein Wissenschaftler am Katheder und liefert einen genauen medizinischen Bericht zum Hungertod von Kindern auf der Welt im Zeitalter des Kapitalismus. Doch auch diesem Camille scheint es an sinnvoll menschenfreundlichen Tun zu fehlen. „Sie spielen ja auch Theater“, sagt seine Frau Lucile (Lisa Hagmeister) zu ihm. So vordergründig kommt Steckels Globalisierungskritik daher.
Bei aller gemeinten Aktualität bleibt bei diesem Büchner-Abend eines auf der Strecke: die psychologisch differenzierte, strukturierte Geschichte über die Hauptakteure der Französischen Revolution von 1789. Der vom umstürzlerischen „Vormärz“ gepackte hessische Autor, der 1837 mit 23 starb, hatte die Szenenfolge mit 21 Jahren geschrieben. Messerscharf und todtraurig analysiert er darin, wie die Helden der Revolution nicht Freiheit und Frieden herbeiführen, sondern in einem Mechanismus des Tötens immer mehr Mord und Laster säen.
Die aus einer Theaterdynastie stammende Steckel wurde 2007 von der Zeitschrift „Theater heute“ zur Nachwuchsregisseurin des Jahres gewählt. Am Thalia-Theater hat sie vor zwei Jahren Büchners Sozialdrama „Woyzeck“ als Musical mit der Musik von Tom Waits mit großem Erfolg vorgelegt.