Ballett am Rhein: Callum Hastie, der Meister der Tänzer

Als Kind wollte er tanzen wie Fred Astaire, wurde aber Ballettprofi. Jetzt wechselte er die Seiten und unterrichtet seine Freunde.

Düsseldorf. Ganze zwei Monate denkt Callum Hastie über das Angebot von Martin Schläpfer nach. Ein Ja hätte weitreichende Konsequenzen für ihn. Die Bühne müsste er verlassen, er würde sich vom Künstler zum Künstlermacher verwandeln und dem berauschenden Gefühl entsagen, wie ein Star gefeiert zu werden. Dabei ist er nicht einmal sicher, ob er die Reife besitzt, sich über den Erfolg anderer so sehr zu freuen, dass er daraus genug Kraft schöpft, um das ebenso brillante wie individualistische Tanzensemble täglich zu Höchstleitungen zu bewegen.

30 Jahre liegen zwischen dem Traum eines siebenjährigen Jungen aus Brisbane in Australien, der tanzen wollte wie Fred Astaire, und dem grundlegenden Entschluss des Ballettprofis Hastie, die Seiten zu wechseln. Die Compagnie zu verlassen und Ballettmeister an der Oper zu werden.

„Ich hätte weiter auftreten können, das hatte Martin mir versichert. Aber ich wusste auch, dass eine solche Gelegenheit so schnell nicht wiederkommen würde“, sagt Hastie. Zumal er sich schon vor langer Zeit vorgenommen hatte, abzutreten, solange seine tänzerischen Leistungen noch stimmen. „Ich wollte nicht eines Tages das Gefühl haben, die Zuschauer im Saal fragen sich, was denn der alte Mann da oben noch macht.“

Mit 30 wird das Leben für Tänzer härter. Die Rückenschmerzen kommen immer häufiger, die Verletzungsanfälligkeit steigt, zusätzliche Pfunde verschwinden nicht mehr so leicht.

Hastie blieb davon bislang verschont. Er ist 36 Jahre alt und mittlerweile in der zweiten Spielzeit als einer von vier Ballettmeistern an der Oper tätig. Er trainiert die Tänzer und übt mit ihnen die Choreographien ein. Wenn Martin Schläpfer ein neues Werk vorstellt, nimmt Hastie alles mit einer Filmkamera auf. „Beim ersten Mal habe ich seitenweise mitgeschrieben. Aber das war keine Hilfe, ich fand überhaupt nichts mehr wieder.“

Nach und nach legt er seine Unsicherheiten ab, ein Prozess, der bis heute andauert. Er habe lernen müssen, sich selbst und auch den Tänzern zu vertrauen. Ungewohnt sei es gewesen, dass er plötzlich auf alles eine Antwort haben sollte. Dass es von nun an in seiner Verantwortung liegt, aus der manchmal müden Truppe vom Morgen eine leistungsstarke Mannschaft zu machen.

Streng muss der freundliche Künstler hin und wieder auch sein, und doch glaubt und hofft er, dass die alten Freunde ihm nach wie vor gewogen bleiben. „Ich wünsche mir, dass es weiter möglich ist, dass wir nach den Proben gemeinsam ausgehen.“

Das, was Hastie zu tun hat, kann man nicht in Wochenendseminaren mal eben lernen. „Es gibt kein Buch, das mir sagt, was ich machen soll.“ Was zählt, sind eine langjährige Balletterfahrung, die Musikalität (als Kind lernte Hastie Klavier und Klarinette) und der Respekt vor den Tänzern. „Das sind keine 17-jährigen Schüler, sondern erwachsene Menschen. Und so muss ich sie auch behandeln. Sie tanzen, weil sie es lieben, das macht es mir einfacher.“