Das rätselhafte kollektive Erröten
<strong>Düsseldorf. Es passt ja im Augenblick zu all den roten Pappnasen, die in der Gegend herumlaufen. Aber Literaturverlage und nicht zuletzt tiefgründelnde Schriftsteller planen die Titel ihrer schwerwiegenden und schwer wiegenden belletristischen Werke doch von langer und bedeutsamer Hand.
Dennoch fällt bei der Durchsicht der Frühjahrsprogramme der Verlage stechend die Farbe Rot ins Auge - als hätten alle Ypsilanti voraus geahnt. Wobei die Lektüre klären müsste, ob das verruchte oder das Rot der Revolution gemeint ist.
Denn der Arche Verlag lässt Wiebke Eden unter dem Titel "Die Zeit der roten Früchte" über ein Paar in Stettin im Jahre 1939 erzählen, während Asli Erdogan im Unionsverlag das Schicksal einer türkischen Akademikerin in Rio als eine Existenz in der "Stadt mit der roten Pelerine" schildert. Da gerät die Phantasie dann doch gewissermaßen ins Schwitzen.
Dass es eine Katastrophe bedeutet, die den Finger in die sündige Wunde legt, wenn Wasser sich rot färbt, weiß jeder Bibelleser. Bei Ullstein schreibt Ake Edwardson seine Krimi-Reihe nicht mit dem Toten Meer fort, sondern - richtig geraten - mit "Rotes Meer", was den "Mittsommeralbtraum" für Kommissar Erik Winter angesichts der Blutlache dreier Leichen recht anschaulich umschreibt. Da kann man nun wirklich nicht meckern.
Und der immer mal wieder für den stur und schnöde verweigerten Literaturnobelpreis gehandelte niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom philosophiert und phantasiert über seinen Zweitwohnsitz Menorca unter dem Titel "Roter Regen". Vielleicht kommt der ja von einem Vulkan, mag sein.
Dass aber im selben Suhrkamp-Verlag auch der Peruaner Santiago Roncagliolo über rätselhafte Morde in der Karwoche im "Roten April" räsonnieren darf, spricht nicht für eine rot gereifte Kommunikation unter den Lektoren.
Vermutlich fehlen da noch ein paar sündhaft rote Titel. Einer jedenfalls hat sich deutlich, ja unmissverständlich abgesetzt von dieser roten Allergie. Henk van Woerdens Roman findet man im Classen Verlag königlich unter der Farbe "Ultramarin".