Mit sich im Einklang sein

Der Choreograph und Tänzer Raimund Hoghe thematisiert den Körper – mit verschiedenem Erfolg.

Herr Hoghe, Sie sind auf dem Sprung nach Brüssel. Ihr Leben bewegt sich zwischen Düsseldorf, Paris und Brüssel. Wo liegt Ihr Lebensmittelpunkt?

Raimund Hoghe: Ich habe eine Wohnung in Düsseldorf. Im Ausland lebe ich lieber im Hotel. Da muss ich mein Bett nicht selber machen.

In Frankreich werden Sie geradezu verehrt. Was unterscheidet das französische vom deutschen Publikum? Nimmt es Ihre Tanzstücke anders wahr?

Hoghe: Frankreich ist mein Arbeitsschwerpunkt. Die Leute dort haben viel gesehen, was auch an den Strukturen mit den Choreografischen Zentren in kleineren Orten liegt. In Deutschland spiele ich zwei- bis dreimal im Jahr, in Frankreich 20mal. Dort herrscht eine andere Offenheit mir und meinem Körper gegenüber. Das hängt mit der deutschen Geschichte zusammen, mit der Ideologie der Nazis vom idealen Körper. Ich falle aus der Norm. Menschen wie mich sieht man als Opfer, will sie weder auf der Bühne noch im Leben in einer anderen Rolle sehen. Wenn ich im Ausland über die Straße gehe, gucken die Leute ganz anders. Freundlicher, mit Akzeptanz. In Frankreich gibt es auch mehr kleine Männer in der Öffentlichkeit - siehe Nicolas Sarkozy.

Fühlen Sie sich als Behinderten?

Hoghe: Ich finde es schön, dass ich diese Arbeit hier zeigen kann. Das Tanzhaus NRW ist allerdings der einzige Ort in Deutschland, wo ich mit dem Stück gastiere.

Zuletzt haben Sie sich Klassikern zugewandt. Nach "Swan Lake, Four Acts" und "Sacre - The Rite of Spring" also "Bolero". Werke mit langer Rezeptionsgeschichte. Was interessiert Sie daran noch?

Hoghe: Die Historie. Ich zeige die Stücke mit neuem Blick, nicht in traditioneller Ästhetik, Dabei versuche ich aber doch, an der Geschichte entlangzugehen.

Die Uraufführung 2007 in Paris fiel zeitlich mit dem Tod Maurice Béjarts zusammen. Hat seine sensationelle Version Sie beeinflusst?

Hoghe: Ja, sehr. Auf einer DVD sah ich eine Fassung mit der 50-jährigen Maja Plissetzkaja. Sie ist kein Opfer, sondern eine starke Frau mit Erfahrung und dem Willen zu überleben. Das hat mich beeindruckt. Wer Béjart kennt, wird bei mir Fragmente wiederfinden, kleine Bewegungen am Rande.

Als Choreograf und Tänzer ästhetisieren Sie auch den deformierten Körper. Was bedeutet Schönheit?

Hoghe: Wenn jemand mit sich im Einklang lebt. Ich habe Gret Palucca gesehen, als sie 86 Jahre alt war. Sie hatte ein Strahlen in den Augen, bewegte sich noch ganz leicht - eine sehr schöne Frau.

Ihre Tanzstücke wirken sehr privat. Wieviel Biografie steckt darin?

Hoghe: Die einzelnen Stücke gehen über meine Biografie hinaus. Was wirklich privat ist, sieht man nicht. Viele dachten schon, ich sei Jude oder hätte Aids.

In einigen Werken formen Sie wie ein spielendes Kind mit sandartigem Material Kreise oder Häufchen. Welche Symbolik verbirgt sich darin?

Hoghe: Es sind Kaffeebohnen, Linsen, Reis. Ich finde die Farben und Formen schön. Es sind einfache Mittel, die den Raum verändern gleich einer Installation in der Bildenden Kunst. Sie haben recht, ich kreiere wie ein Kind meine eigene Welt. Auf der Bühne denke ich manchmal, wenn im Publikum jemand stört, Kinder lassen sich auch nicht stören.

Ich bin gewarnt worden, Sie auf Pina Bausch anzusprechen...

Hoghe: Das können Sie gerne. Die zehn Jahre waren eine tolle Zeit. Ich fühle mich ihren Anfängen verbunden, ihre heutigen Arbeiten entsprechen mir weniger. Film- und Diaprojektionen sind nicht mein Ding. Was sie über meine Arbeit denkt, weiß ich nicht. Pina hat nie etwas von mir gesehen. Für mich ist es immer schön, Leute weiter zu verfolgen.

Was haben Sie bei ihr gelernt?

Aufführungen: "Bolero-Variationen" am 18./19. 1., Tanzhaus NRW, 0211/17270-0