„Das Schwarze Wasser“: Was aus Teenagerträumen wurde
Mannheim (dpa) - Wer kennt sie nicht, die magischen Momente der Teenager-Jahre? Mit „Das Schwarze Wasser“ hat das Nationaltheater Mannheim am Samstag ein neues Stück des Dramatikers Roland Schimmelpfennig uraufgeführt.
Der erste Kuss und eine zarte Berührung - die Geschichte kreist in immer neuen Variationen um eine einzige Nacht im Freibad. Eine Nacht, die so besonders war, dass sie auch die - längst erwachsenen - Jugendlichen von einst nicht vergessen haben. Damals überkletterten sie verbotener Weise den Zaun zum Freibad und werden von anderen Jugendlichen überrascht. Statt sich zu prügeln, kommen beide Gruppen miteinander ins Gespräch. Für einen kurzen Moment scheint es, als gäbe es keine sozialen Gegensätze, sondern nur Liebestrunkenheit und Teenagergefühle.
Schauspiel-Intendant und Regisseur Burkhard C. Kosminski lässt die Ereignisse von vor zwanzig Jahren mit Taschenlampen lebendig werden. Die erhellen in der absoluten Dunkelheit Teenager im Bikini und aufblitzende Annäherungsversuche. Sekunden später sind alle Beteiligten zwanzig Jahre älter.
Schimmelpfennigs Text springt ständig zwischen den Zeiten, wechselt in schneller Folge zwischen gestern und heute, manchmal mitten im Satz. Was aus den Träumen wurde, es passiert praktisch zeitgleich. Währenddessen fährt die Rückwand der Bühne unmerklich immer weiter nach vorne, bis für die Darsteller kaum noch Platz bleibt.
Die Spielräume im Leben werden mit zunehmendem Alter immer kleiner, in dieser Inszenierung verschwinden die Möglichkeiten ganz real. Dabei kommen im Stück die einen im Leben besser weg als die anderen. Die imaginären Biografien zeigen eine zementierte Gesellschaft, ohne soziale Durchlässigkeit.
Aus dem Sohn des hohen Tiers im Ministerium wird ein angehender Minister, aus der Tochter des Zuwanderers eine Supermarktverkäuferin. Der Sohn des Döner-Händlers betreibt später selber einen Imbiss und die Tochter aus besserem Hause wird eine Schuldirektorin.
Mit diesem simplen Schwarz-Weiß-Bild macht es sich das Stück aber ein wenig zu einfach. Es gibt inzwischen mehr Grautöne zwischen Minister und Döner-Händler - die Milieus in Deutschland verschwimmen viel mehr als Schimmelpfennig mit seinem Stück glauben machen will. Aber mit seinem melancholischen Traum von der Nacht am Wasser trifft er den Nerv des Publikums. Wahrscheinlich denken viele an eigene, lang zurückliegende Momente, beim langen und begeisterten Applaus.
Roland Schimmelpfennig (47) ist einer der bedeutendsten deutschen Dramatiker der Gegenwart. Er wurde für seine Stücke in den vergangenen Jahren vielfach ausgezeichnet, unter anderem 2010 mit dem Mülheimer Dramatikerpreis.