Donizetti-Oper feiert Premiere in Duisburg: Happy End mit Aphrodite
Die Deutsche Oper am Rhein hat Donizettis Melodram „Der Liebestrank“ auf die Bühne gebracht.
<strong>Duisburg. Gleich zweimal musste Intendant Tobias Richter am Samstagabend auf der Bühne der Duisburger Oper aufmarschieren: Zuerst, weil er um Rücksicht auf - jahreszeitlich bedingt - angegriffene Stimmbänder bitten musste, nach der Pause schließlich um anzukündigen, dass die Sopranistin Netta Or, die bis dahin tapfer und stolz und überzeugend die anspruchsvolle Partie der Adina durchgestanden hatte, definitiv nicht mehr einsatzfähig sei. Zwar spielte ("markierte") sie im zweiten Akt weiterhin, doch dann erschien Ekaterina Morosova am Bühnenportal und brachte den zweiten Akt mit seinen vielen, äußerst schwierigen Koloraturen brillant über die Rampe. Respekt, aber man hat die Sängerin aus Jekaterinenburg ja hier auch schon als Königin der Nacht gehört. Das Problem dieses "Melodramma", vor dem sich jede Inszenierung sieht, ist die Tatsache, dass die Handlung extrem dürftig ist: Bauernbursch Nemorino (Andrej Dunaev), ein Analphabet und auch sonst törichter Tölpel, will die hübsche, schlaue Bäuerin Adina (Netta Or) freien. Ihm kommt der elegante Sergeant Belcore (Dmitri Vargin) in die Quere, aber dann der schmierige Doktor Dulcamara (Bruno Balmelli) mit einem liebefördernden Trank zu Hilfe. Es ist aber keineswegs Arznei, vielmehr ein guter Tropfen Bordeaux, der Nemorino wie einen Frosch herumhüpfen lässt. Es kommt zu Streit und Missverständnissen, bis am Ende die wahre Liebe siegt und der Sergeant in den Krieg zieht.
Über allem thront die intellektuelle Alpen-Puppe
Um es gleich zu sagen: Im 1. Akt dirigierte Pierre-Dominique Ponnelle so harsch, dass sich die gebeutelten Duisburger Symphoniker, von denen man wahrlich anderes gewohnt ist, anhörten wie eine Humtata-Fastnachtskapelle. Keine Spur der wunderschön leuchtenden, leichten Italianità Donizettis. Das tat weh, zumal sämtliche Tutti-Passagen zum musikalischen Tohuwabohu gerieten; Einsätze torkelten hintereinander her. Vor allem der uninspiriert singende Chor schien darunter zu leiden. Nach der Pause änderte sich das gottlob. Denn zu hören und zu sehen gab es von Seiten der allesamt vokal exzellenten und spielfreudigen Sänger genug, darunter herausragend der witzige Komödiant und Kobold Andrej Dunaev, die naseweise Netta Or und Ekaterina Morosova, die für Belcanto pur sorgten. Tina Kitzings Verismo-Bühne zeigt über einer putzig niedrigen Alpen-Gebirgskette eine vor königsblauem Panorama hochaufragende Frau mit puppenhaften Zügen, modischen Armreifen, streng zurückgekämmtem schwarzem Haar, rotem Mund und rot lackierten Fingernägeln. Sie ist, Ironie auf die dominante Adina, eine intellektuelle Puppe in betont nachdenklicher Pose - oder die zeitgenössische Version der Liebesgöttin Aphrodite. Überhaupt spielt Kitzing gern und meist augenzwinkernd mit Metaphern. Da hinken die Kostüme (Marette Oppenberg) konventionell hintendrein.Regisseur András Fricsay Kali Son pflegt das Vexierspiel: Den Dulcamara, der immer die anderen an der Nase herumführen will, führt er hier als bramarbasierenden Wichtigtuer vor, der weder etwas weiß noch kann. Ebenso entlarvt er den Sergeanten, der meint, allein die Uniform mache den schneidigen Mann.
Das ist gelungenes Volkstheater, wenn es denn auch noch so gespielt wird wie hier. Fricsay ist hier nicht mehr, wie früher gerne, der Revolutionär, sondern der Genießer der Oper. Und das ist für Donizettis schwelgende Musik eine Wohltat. Donnernder Applaus vom Publikum.
Lebensdaten 29. November 1797 in Bergamo geboren, gestorben 8. April 1848 ebenda an den Folgen einer Syphilis-Infektion. Er zählt mit Bellini und Rossini zu den wichtigsten Komponisten des italienischen Belcanto.
Studium Donizetti wandte sich zuerst der Kirchenkomposition zu und wurde zunächst Bassist und Archivar. 1834 steigt er zum Kapellmeister und Kompositionslehrer am Konservatorium in Neapel auf. 1842 Ernennung zum österreichischen Hofkomponisten. Insgesamt drei Paris-Aufenthalte.
Oper Ab 1814 schrieb er rund 40 Opern. Bis heute werden am häufigsten "Der Liebestrank", "Don Pasquale", "Anna Bolena", "Viva la Mamma", "La fille du régiment" und "Lucia di Lammermoor" gespielt.