Uraufführung in Köln: Das Brathendl als Glücksindikator
Jette Steckel inszeniert Dea Lohers „Fremdes Haus“.
<span style="font-weight: bold;">Köln. Angekündigt war eigentlich die Uraufführung eines Stücks von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel über illegal in Deutschland lebende Menschen. Doch Jette Steckel, Tochter des früheren Bochumer Intendanten Frank Patrick Steckel, fand keinen Zugang zu dem Text. So inszenierte sie am Kölner Schauspiel nun Dea Lohers 13Jahre altes Stück "Fremdes Haus", eine moralisch aufgeladene Szenenfolge über Verrat, Schuld und Vergangenheitsbewältigung im Gefolge der Balkankriege. Im Zentrum steht der junge Jane, der von Mazedonien nach Deutschland flüchtet und dort auf Landsleute trifft. Die Inszenierung schildert diese Ankunft als einen Versteifungsprozess. Wie angewurzelt steht Wolfgang Menardi als Jane in der arenaartigen, mit Split belegten Spielfläche. Auf der einen Seite begrenzt durch einen Wall mit Treppe, auf der anderen durch eine schwarze Wand mit dem Schriftzug "Hier" (Bühne: Thomas Dreissigacker, Lea Tenbrock), hinter der die "Einheimischen" hervorkommen. Da ist der abweisende Kioskbesitzer Risto (Albert Kitzl) im grauen Anzug, der gegen Jane Front macht; oder seine verhärmte Frau Terese (Susanne Barth) in gelben Leggings, die mit Gelegenheitsprostitution Geld verdient.
Steckel inszeniert die Begegnungen in streng konfrontativen Duellen. Jane zieht zwar eine symbolische (Grenz-)Linie am Boden, wird aber nach und nach zum Katalysator für die ungelösten Probleme der Figuren. So versucht Agnes, Ristos und Tereses Tochter, ihrer Zweckehe mit dem Automechaniker Jörg zu entfliehen; ihre Mutter wiederum möchte, dass Jane die Lügen ihres Mannes aufdeckt.
Trotzdem wirkt die Inszenierung zunächst ziemlich zerfahren. So monoton die Konfrontationen daher kommen, so penetrant wird die Theatersituation als gespielte immer wieder betont. Der Liebesszene von Agnes (Maja Schöne) und Jane wiederum stolpert mit einem improvisierten Liebesfilm-Dialog dahin, ein gemeinsam verzehrtes Brathendl wird zum Glücksindikator. Janes Kampf mit Ehemann Jörg (Simon Eckert) gerinnt zur komischen Nummer.
Die Fallhöhe der Figuren wird erst greifbar, wenn die Inszenierung das strenge Arrangement auflöst und den Ton verschärft. Nach Tereses Selbstmord gesteht Risto wie ein taumelnder Boxer, dass er seinen Freund an den exjugoslawischen Geheimdienst verraten hat. Das ist von ergreifender Intensität, genauso wie Janes Erzählung vom Tod seines besten Jugendfreundes.