Festspiele zum Nulltarif
Erstmals wurde eine Inszenierung live auf eine Leinwand außerhalb des Festspielhauses übertragen – ein Riesenerfolg.
Bayreuth. Es war ein Sommernachtstraum: 125 Jahre nach Richard Wagners Tod ist seine Idee von Festspielen zum Nulltarif endlich in Erfüllung gegangen. Insgesamt 38 000 Menschen passierten am Sonntagabend - wenn auch zum Teil mehrfach - den Eingang des Bayreuther Volksfestplatzes zur ersten Liveübertragung einer Wagner-Oper.
Gezeigt wurden "Die Meistersinger von Nürnberg" in der Inszenierung von Wagners Urenkelin Katharina. Festspielsprecher Peter Emmerich sprach gestern von einem Riesenerfolg. "Die Stimmung war fantastisch, die Übertragung vermittelte ein Gänsehautgefühl."
Die Umsetzung von Wagners Traum, ganz vielen Menschen die Teilhabe an seinen Aufführungen zu ermöglichen, hat auch technisch perfekt funktioniert. Acht ferngesteuerte Kameras lieferten bei diesem Public Viewing der Hochkultur gestochen scharfe Bilder vom Grünen Hügel auf den 90 Quadratmeter großen LED-Schirm. Die Regie vermittelte mit Nahaufnahmen den Eindruck, unmittelbar vor den Sängern auf der Bühne zu stehen. Auch die Akustik ließ keine Wünsche offen.
"Wir wollten Leute ansprechen und begeistern, die nicht die typischen Operngänger sind", betonte die 30-jährige Katharina Wagner, auf deren Initiative die Übertragung stattfand. Das ist ihr gelungen. Nach Ende der einschließlich der Pausen sechseinhalbstündigen Übertragung kam sie mit den Sängern auf den Volksfestplatz.
Dort feierten die Künstler und mehrere Tausend Wagnerfans an einer eigens mit Sand aufgeschütteten Strandbar im gedämpften Licht von sechs Ballons noch bis weit in die Nacht diese Premiere der besonderen Art.
Bestückt mit Klappstühlen, Decken, Strandmatten und Picknickkoffern waren Alt und Jung schon Stunden vor Beginn der Übertragung auf den Platz gepilgert, um sich die besten Plätze zu sichern. Bei weit über 30 Grad berauschten sich die Menschen in sengender Sonne an der Musik und den Bildern von Tilo Steffens. Auch die vielen Nicht-Wagnerianer waren beeindruckt: "Wir mussten nicht acht Jahre warten, bis wir eine Karten bekommen, sondern haben heute früh spontan entschieden, dass wir uns das anschauen", sagte eine ältere Dame.
Wer wollte, konnte auch zu Hause an dem Spektakel auf der Bühne teilhaben. Erstmals boten die Festspiele die Möglichkeit, eine Inszenierung live im Internet zu sehen. Für 49 Euro konnte man per Livestream "Die Meistersinger von Nürnberg" am Sonntag auf dem heimischen Computer verfolgen.
Die Siemens Festspielnacht schreit förmlich nach einer Wiederholung", sagte Festspielsprecher Emmerich. "Das hängt aber von den Geldgebern ab", schränkte er ein. Die Mäzene meldeten sich dann gestern prompt zu Wort: Die finanzielle Situation sei angespannt, so die "Freunde von Bayreuth".
Der Etat 2008 weise ein Defizit von einer Million Euro auf, das von den "Freunden" ausgeglichen wurde. Das Interesse des Publikums an weiteren Übertragungen ist jedenfalls vorhanden. Vorübergehend musste der Zugang sogar geschlossen werden, weil sich mehr als 15 000 Menschen auf dem Platz befanden.