Die vielen Gesichter Georges
Geburtstag: Alle kennen ihn von Theater, Film und Fernsehen: Der große Schauspieler kann nun seinen 70. Geburtstag feiern.
Berlin. Fragen zu seinem Alter haben Götz George jahrelang geärgert. Wer ihn auf 180 bringen wollte, musste den Mann in der Motorradjacke nur darauf ansprechen - wurde danach aber keine weitere Frage mehr los, das Interview war schlagartig beendet.
Am Mittwoch wird der Schauspieler nun 70 Jahre alt, vor einem Jahr hat er eine Herzoperation überstanden - da lässt sich nichts mehr mit Macho-Attitüde wegreden. "Am Alter gibt es nichts zu deuteln. Ich muss meine Kondition möglichst halten, und das klappt", sagt er heute.
Von sieben Lebensjahrzehnten auf Altersmilde zu schließen, ist verfehlt. Götz George bleibt einer, der sich reibt und abarbeitet. Nötig hätte er das nicht mehr: Er gehört zu den wenigen großen Schauspielstars dieses Landes, was er an den Gagen und der Sammlung seiner Preise auch leicht ablesen kann. Aber den Stachel, es dem übergroßen und früh verlorenen Vater und Volksschauspieler Heinrich George mindestens gleichzutun, wird er wohl nie los.
Denkwürdige Szenen hat er Fernsehzuschauern und Kinogängern beschert: Wie er am Anfang des ersten "Schimanski" 1981 rohe Eier schlürft, wie er am Ende des letzten "Tatort-Schimanski" 1991 mit dem Drachenflieger und einem lauten "Scheiße!" über Duisburg abhebt.
George spielte den KZ-Arzt Josef Mengele und den Serienmörder Haarmann, den öligen Reporter Hermann Willié in "Schtonk" und den hilflos-aggressiven Alzheimer-Kranken in "Mein Vater", den alten Bubi Scholz und einen schwulen Taschendieb.
Am leicht nuscheligen Sprechen erkennt man den gebürtigen Berliner. Doch spielerisch hat er sich von körperlicher Wucht zu differenzierter Zartheit und Verletzlichkeit vorgearbeitet. "Das pinkelt der euch in den Sand", lobt der Filmproduzent Markus Trebitsch Georges Wandlungsfähigkeit. Gewachsen ist auch die Hingabe ans Detail.
Nicht immer unverdrossen feilt er an Dialogen, legt sich mit Regisseuren an. Trotz aller Erfolge ist dieser Mann aber nie in der Glamour- und Chi-Chi-Welt angekommen. Er kennt sich besser aus mit konsequenter Arbeit als mit geschickter Selbstvermarktung. Und wenn Thomas Gottschalk flockig plaudert, er habe den neuen Film gar nicht gesehen, wird George sauer und laut.
Freunde macht man sich damit nicht. George ist im Gegensatz zu seinem schnauzbärtigen Schimmi ohnehin kein Kumpeltyp. Er war in seinem Leben "immer sehr allein", sagt er, habe es "irrsinnig schwer" gehabt und es sich auch selber schwer gemacht.
Aus seiner Ehe mit Loni von Friedl hat er eine Tochter, die als Bildhauerin in Australien lebt. Seine Partnerschaften sind beständig, seit Jahren lebt er mit der Hamburger Journalistin Marika Ullrich zusammen.
Doch George bleibt immer ein wenig misstrauisch und sagt auf die Frage, ob es im Leben überhaupt dauerhafte Beziehungen gibt: "Nee, das war in meinem Leben nie sehr vordergründig". Er sei auch mit sich selbst "eigentlich ganz zufrieden". Für sich selbst schreibt er auch seit 30 Jahren Tagebuch ("Jeden Tag eine Seite, mehr habe ich nicht zu sagen"), die aber irgendwann vernichtet werden sollen.
Dazu passt Georges abgelegenes Refugium im Nordosten Sardiniens. Hier stört kein Fernseher und kein Handy, von Computern hält er er sich sowieso fern. Nach Deutschland fährt er nur kurz: "Arbeiten, Steuern zahlen und dann wieder weg."
Dazu passt, dass er sich nicht groß feiern lässt, das hat ihm noch nie gelegen. Als er den Deutschen Fernseh-Preis für sein Lebenswerk bekam, stand Götz George gerührt auf der Bühne und rettete sich in den burschikosen Satz: "Wir müssen zum Ende kommen, denn ich habe so einen wahnsinnigen Hunger." Er möge es sich schmecken lassen. ang