Traumzeit-Festival: Der Wille ist entscheidend
Das Duisburger Traumzeit-Festival kämpft seit Jahren ums Überleben. Ab heute präsentiert es wieder Jazz, Soul und Weltmusik.
Duisburg. Wenn einmal Außerirdische des Nachts im Landschaftspark Duisburg-Nord landen sollten, würden sie sich vielleicht sogar heimisch fühlen. Außerirdisch sieht das 70 Meter in den Himmel ragende Stahlungetüm aus, wenn es wie üblich psychedelisch-farbig illuminiert ist. Ein stillgelegter Hochofen gerät hier zum Gesamtkunstwerk.
Noch entrückter erscheint das Areal regelmäßig an einem Wochenende im Sommer, wenn es mit Musik beschallt wird. Seit 1997 gibt es das Traumzeit-Festival, eine Veranstaltung, die Brücke sein will zwischen Weltmusik und Jazz. Die Gästeliste liest sich inzwischen wie das Who-is-Who der anspruchsvollen zeitgenössischen Musik: Al Jarreau, Jan Garbareck, Chick Corea, Archie Shepp, Herbie Hancock, Bobby McFerrin, Miriam Makeba, Philip Catherine, sie alle spielten in der Montan-Manege im Duisburger Norden.
Der Künstlerische Leiter heißt Wilfried Schaus-Sahm. Stolz zeigt er die Kraftzentrale, mit etwa 160 mal 35 Metern das größte Gebäude. Sie beherbergte, bevor das Werk stillgelegt wurde, Turbinen und Generatoren. Schaus-Sahm kann sich noch gut an die ersten Planungsgespräche vor zwölf Jahren erinnern.
Unbespielbare Akustik, ungeeignete Statik, unbezahlbare Renovierung, unkalkulierbare Sicherheitsrisiken, die Skeptiker fanden viele Argumente. Doch dann überzeugte der Leiter der Internationalen Bauausstellung, der Architekt Karl Ganser, mit nur einem Satz: "Der Wille ist das Entscheidende." Mit sieben Millionen Mark gelang der Umbau. Bei einem Van-Morrison-Konzert passten 4000 Zuschauer in die Halle, ansonsten begnügt man sich mit 2000 Plätzen. Schaus-Sahm glaubt, dass die Kombination von Industriekulisse und innovativer Musik die Komposition ist: "Neudeutsch nennt man so etwas ,spirit of the place’, lateinisch heißt es ,Genius loki’."
Zweimal schon stand das Traumzeit-Festival vor dem Aus. Doch öffentliche Aufschreie ließen die politisch Verantwortlichen zurückrudern, um nach Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen. Sponsoren wurden gefunden. Schaus-Sahm vermutet, dass der Fortbestand des Festivals bis mindestens 2010 gesichert ist. Was allerdings nach dem Kulturhauptstadtjahr geschieht, steht in Duisburgs Sternen.
Heute scheint es, als sei er in jeden seiner aktuellen Programmpunkte verliebt. Der Grammy-Sieger Turtle Island Quartett ist ein Streichquartett, das improvisieren kann. Es spielt eine Hommage an John Coltrane. Ghazal verbindet friedlich die Musik der Feinde Indien und Pakistan. Der Pianist Brad Mehldau gilt als der Nachfahre von Keith Jarrett. Und die Soul-Legende Solomon Burke kommt nach Duisburg. "Mit seinen dreieinhalb Zentnern Körpergewicht wird er im Sitzen singen." Der ehemalige Beerdigungsunternehmer, Prediger und Vater von 17 Kindern ist bekannt geworden durch "Everybody needs somebody to love". Wer also wissen will, bei wem Mick Jagger und Rod Steward das Singen gelernt haben, sollte sich diese Party nicht entgehen lassen.