Freedom Theatre startet Deutschland-Tournee
Braunschweig (dpa) - Peitschende Feuersalven, Angstschreie - die Situation kann kaum bedrohlicher sein. Schon in der ersten Szene macht das Freedom Theatre aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Jenin klar, es geht um ein existenzielles Problem.
Mit dem Stück „Sho Kman?“ (Was noch?) hat am Dienstag in Braunschweig die Deutschlandtour des außergewöhnlichen Theaters begonnen. Der lang andauernde Applaus ließ keinen Zweifel: Das Braunschweiger Publikum war von der intensiven Darbietung der jungen Künstler sehr beeindruckt. Bis zum 28. Oktober treten die Schauspielschüler in elf deutschen Städten auf.
„Sho Kman?“ ist die erste Inszenierung nach der Ermordung des Theaterdirektors Juliano Mer Khamis, dessen gewaltsamer Tod in vielen Ländern Bestürzung hervorgerufen hatte. Jenin liegt im Norden des von Israel seit Jahrzehnten besetzten Westjordanlands. Mer Khamis, Sohn einer israelischen Jüdin und eines christlichen Palästinensers, war in Israel ein bekannter Schauspieler. 2005 trat er in die Fußstapfen seiner Mutter, die sich bereits 1988 in Jenin engagiert hatte, und eröffnete das Freedom Theatre mit angeschlossener Schauspielschule. Im April 2011 wurde er von einem unbekannten Attentäter erschossen.
In „Sho Kman?“ vermitteln die sieben Schauspieler in einer Folge von Szenen ein Gefühl für ihren Alltag, gekennzeichnet durch Gewalt, Wut, Ohnmacht, Schmerz, Verzweiflung, ohne Perspektiven - auch am Ende des Stücks ist keine Lösung in Sicht. „Verstörend und wuchtig“, umschreibt ein Zuschauer kurz seinen Eindruck.
Mal werden sie gefoltert, gedemütigt - dann wieder tanzen sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit nach westlicher Musik. Dass es ihnen nicht um eine simple Anklage gegen die Israelis geht, zeigt schon die Wahl der Sprache: Auf der Bühne wird weitgehend eine Fantasiesprache gesprochen. Tänze, Mimik und Gesten sowie die durchdringenden in jeder Kultur verständlichen Schreie der Künstler sind ohnehin wichtiger als Worte. „Es sind junge Künstler und keine Politiker“, sagt der Braunschweiger Chefdramaturg Axel Preuß.
„Durch die Besetzung wird die palästinensische Gesellschaft immer reaktionärer und konservativer“, sagt Tsafrir Cohen von der Hilfsorganisation medico international aus Frankfurt. Die Organisation unterstützt das Theater und hat die Tour zusammen mit der KinderKulturKarawane, die Kinder- und Jugendkulturgruppen nach Deutschland einlädt, ermöglicht. „Das Theater gibt den jungen Menschen eine Art Heimat“, sagt der Braunschweiger Intendant Joachim Klement, der mit anderen Intendanten, Theaterschaffenden und medico international zur Unterstützung des Friedenstheaters aufruft.