Interview: „Obama ist ein Sozialist“

Michael Moore spricht über sein Verständnis von Demokratie. Am Donnerstag erscheint seine neue Dokumentation im Kino.

Mr Moore, wo liegt dieser Tage Ihr Geld? Bei einer Bank oder unterm Bett?

Moore: Ich lege mein Geld aufs Sparbuch, manchmal investiere ich in staatliche Schatzbriefe, für die man kaum Zinsen bekommt. In Aktien habe ich nie angelegt, ich glaube einfach nicht daran. Ansonsten habe ich ein Haus gekauft und meinen Brüdern, Schwestern und Cousins aushelfen können.

Moore: Ich schlage weniger den Sozialismus vor, sondern Demokratie! Ich hoffe auf eine demokratische Wirtschaft, in der das Volk Mitspracherecht hat. Ich habe nichts dagegen, dass jemand Geschäfte macht, hart arbeitet und gutes Geld verdient.

Nur: Das ist nicht der Kapitalismus dieser Tage! Der ermöglicht, dass ein Prozent der Weltbevölkerung über dieselbe Menge Geld verfügt wie die restlichen 99 Prozent zusammen. Das ist Wahnsinn! Und muss sich ändern!

Moore: Durch meinen Film "Sicko" habe ich begriffen: Sie brauchen mich nicht, damit ich in Ihr Land komme und Ihnen sage, was Sie längst wissen. Das können Dokumentarfilmer aus Ihren eigenen Land besser. Gerade weil dieser Film sich so stark auf Amerika konzentriert, ist er für Sie interessant: Ich öffne ein Fenster in die USA, das Sie von CNN nicht bekommen.

Sie erfahren Dinge, die Sie sonst nicht erfahren hätten. Und nach dem Kino können Sie nachdenken, ob die zunehmende Privatisierung auch bei Ihnen nicht so toll ausgehen könnte. Denn in den USA hat es für viel Korruption gesorgt.

Moore: Ja, alle Menschen sind gleich gierig. Gier ist die große, dunkle Seite in jedem von uns. Aber der US-Kapitalismus kontrolliert die Gier nicht, sondern vergrößert und fördert sie. Deswegen brauchen wir ein anderes System, das nicht darauf basiert.

Moore: Ich finde schon. Er fordert, dass auch der Mittelklasse-Amerikaner etwas vom Wohlstand abbekommt. Was hat man ihn dafür angegriffen! Denn Obama sprach das wesentliche Gebot des Sozialismus aus: dass es eine gleichmäßige Verteilung des Reichtums geben müsse.

Moore: Ich werde aufblühen, weil ich jetzt nicht mehr im tiefsten Mittelalter lebe, wo Dummheit gefördert wurde. Es herrscht wieder ein Klima, das Kunst, Kultur und freies Denken unterstützt. Aber auch ein kluger Präsident braucht die Menschen, die den neuen Zeitgeist unterstützen, Schriftsteller, Filmemacher, Denker. Ich glaube, dass dies eine tolle Zeit für mich wird.

Moore: Natürlich, es ist heute viel schwieriger für mich, Dokus zu drehen. Ja, früher bin ich einfach irgendwo reinmarschiert - heute hat man Angst, mit mir zu reden.

Moore: Ja, sicher. Draußen vor der Tür muss ein Mann vom Sicherheitsdienst stehen. Ich möchte die persönlichen Opfer, die ich bringe, nicht öffentlich benennen. Aber der Preis ist hoch.

Ich habe mich oft gefragt, ob ich all das noch einmal machen würde, wenn ich vor die Wahl gestellt würde. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht - vor allem wegen der ganzen Dinge, die meine Familie durchmachen muss.