Sein Streben, alles zu veredeln
Schillers Briefwechsel mit Goethe erscheint wissenschaftlich kommentiert.
Düsseldorf. Geburtstag eines großen Genies - da muss Schillers Briefwechsel mit einem anderen Genie, Johann Wolfgang von Goethe, neu und erstmals nach den Regeln historisch-kritischer Editionskunst, getreu nach den überlieferten Handschriften, her. Vor allzu vielen Fußnoten schützt der Kommentarband, der ergänzende Informationen bereit hält.
Der Briefwechsel, den Schiller 1794 begann, als er Goethe noch ganz formell ("Hochwohlgebohrner Herr, hochzuvererender Herr Geheimer Rath") um Mitarbeit an einer Zeitschrift bat, die er sowie Fichte und Wilhelm von Humboldt herausgeben wollten.
Goethe sagt begeistert zu - und damit beginnt "die bedeutendste Epoche der deutschen Literaturgeschichte", sagt der Brief-Herausgeber Philologie-Professor Norbert Oellers. Dem Bonner Emeritus ist die großartige Leistung zu verdanken.
Die 1.015 Briefe zu lesen bedeutet, in den Entstehungsprozess fast aller großen Arbeiten beider Dichter einzutauchen. Sie tauschen sich aus über die Begegnungen mit philosophisch, literarisch oder musikalisch bedeutsamen Persönlichkeiten der Zeit.
Ihre Briefe sind überdies in wachsendem Maße von tiefer Innigkeit. Und wenn der Austausch ganz dringlich wird, endet das Briefchen mit: "Morgen mehr." Transportiert wird die Botschaft - Oellers hat auch analysiert, dass Goethes Papier das feinere ist und worin es sich in dem von Schiller unterscheidet - per Boten, Reiter, Kutsche.
Da gab es kein Telefon, geschweige denn E-Mails, Handy, SMS. Man schrieb mit Tinte und Federkiel (Goethe diktierte, was mitunter zu kuriosen Fehlern führte). Man hatte kein Fernsehen und viel Zeit. Man schrieb, las und ging ins Theater. Es beginnt eine atemberaubend rasante dramatische Produktion.
Schiller verfasst "Maria Stuart", uraufgeführt 1800, "Die Jungfrau von Orleans" (1801), "Die Braut von Messina", (1803), "Whilhelm Tell" (1804). In diesem Jahr reist er auch zum ersten und einzigen Mal nach Berlin, wo ihm das preußische Königspaar die für damalige Verhältnisse enorme Summe von 3.000 Talern Salär Jahresgehalt anbietet. Heimgekehrt, bittet Schiller erst einmal den Herzog von Weimar um Gehaltsverdoppelung - und erhält sie natürlich.
Was aber berührte den großen Goethe an dem dürren schwäbischen Wicht, dass er ihm wie keinem sonst seine Werke anvertraute, seinen "Wilhelm Meister" komplett von ihm korrigieren ließ und, wenn Schiller dies empfahl, sogar kürzte, strich, umarbeitete? "Schillern war eben diese echte Christus-Tendenz eingeboren, er berührte nichts Gemeines, ohne es zu veredeln", schrieb er.
Die Begegnung mit ihm wird ihm Bedürfnis: "Ich wünsche sehr Sie wiederzusehen." Schiller geht es nicht anders: "Ich sehne mich nach einer Zeile von Ihnen." Goethe: "Heute früh erwartete ich vergebens einen Brief von Ihnen, wenn nur nicht das Außenbleiben desselben auf ein Übelbefinden deutet."
Es muss wohl die unerhörte Kühnheit Schillers gewesen sein, sein geistiger Höhenflug und sein unbedingtes Bekenntnis zur Freiheit als Bedingung menschlichen Lebens, die bereits dem theatralischen Entwurf der "Räuber" zugrunde lag, die er als 20-Jähriger schrieb. "Montags erhalten Sie den Wallenstein ganz. Tot ist er schon, ich habe nur noch zu bessern und zu feilen", schreibt Schiller 1899. Anderntags Goethe: "Recht herzlich gratuliert zum Tode des theatralischen Helden!"