Kampf gegen allumfassende Macht

Kafkas „Prozess“ auf der Bühne in Remscheid und Wuppertal.

Remscheid/ Wuppertal. Eines Morgens wird der Bankangestellte K. verhaftet. Den Grund dafür erfährt er nicht. Was zunächst als Irrtum erscheint, gewinnt eine immer bedrückendere Realität. Obwohl K. sein alltägliches Leben fortführen kann, besteht kein Zweifel: Es wird ihm der Prozess gemacht. Mehr noch: Seine Schuld scheint bereits festzustehen. Je mehr Anstrengungen K. unternimmt, um der undurchschaubaren Maschinerie des Prozesses zu entkommen, umso mehr liefert er sich ihr aus.

Aber woher bezieht das hinter allem stehende "Gesetz" seine grenzenlose Macht? "Es ist das Schicksal und vielleicht auch die Größe dieses Werkes, dass es alle Möglichkeiten darbietet und keine bestätigt", schrieb Albert Camus über Franz Kafkas Roman "Der Prozess". Wie kann man diesen unauslotbaren Text auf der Bühne in Bilder und Handlung übersetzen, ohne ihn zugleich auf eine der vielen Deutungsmöglichkeiten festzulegen und damit zu verstümmeln?

Dass Sybille Fabian (Regie) und Herbert Neubecker (Bühne/Textfassung) in ihrer Inszenierung für die Wuppertaler Bühnen genau dies gelingt, ist schlichtweg ein Kunststück. Am Freitag feierte sie im Remscheider Teo Otto Theater Premiere.

Das Geschehen vollzieht sich im abstrakten schwarz-weißen Bühnenraum; weiß geschminkt mit schwarzen Lippen und Augenhöhlen sind die Gesichter der Figuren. Michael Sieberock-Serafimowitsch hat ihnen fantastische schwarz-weiße Kostüme geschneidert, nur die langen Gestapo-Mäntel der Wächter deuten eine jener Ebenen von Unterdrückung und Gewalt an, die der Text zulässt.

Dass die Regisseurin Sybille Fabian ursprünglich vom Tanz kommt, ist hier ein Glücksfall: Sie kreiert in kurzen Zwischenszenen zu hämmernd geräuschhafter Musik Atmosphäre allein über Bewegung. Sie lässt ihre Figuren wie in Zeitlupe schreiten, kriechen, stolzieren, buckeln, wie es ihrem Charakter entspricht - großartig umgesetzt vom Ensemble.

Die Knie noch beim Laufen zusammengepresst, die Arme am Körper -- eingeklemmt in sein Schicksal agiert Josef K. (Gregor Henze) von Beginn an, was sein Aufbegehren umso hilfloser erscheinen lässt. Dass sein Los auch unser eigenes sein könnte, merken wir erst an der Intensität, mit der sich die Bilder dieser Inszenierung ins Gedächtnis bohren.