Kulturmanagement: Gérard Mortier wird Chef des Teatro Real

Die Madrilenen wollen mit ihm einen großen Sprung vorwärts wagen.

Madrid. Nach seinem gescheiterten Engagement in New York geht Gérard Mortier zur Madrider Oper. Der Pariser Opernchef wird Anfang 2010 beim Teatro Real in der spanischen Hauptstadt das Amt des künstlerischen Leiters antreten.

Der 65-jährige Belgier, das "enfant terrible" der europäischen Kulturszene, einigte sich mit den Spaniern auf einen Fünf-Jahres-Vertrag. "Mortier wird dem Teatro Real international zu einer größeren Geltung verhelfen", betonte der Generaldirektor des Madrider Opernhauses, Miguel Muñiz.

Eigentlich hatte der belgische Kulturmanager nach Ablauf seines Kontrakts in Paris nach New York gehen wollen. Er verzichtete dann aber auf den Posten in den USA, weil die City Opera infolge der Finanzkrise ihr Budget drastisch kürzen musste.

Mortier liebäugelte auch mit einem Engagement in Berlin. "Berlin würde mich sehr interessieren, doch leider interessiert sich Berlin nicht mehr mich", sagte er kürzlich.

Die Madrilenen hatten es bei der Suche nach einem Nachfolger für ihren künstlerischen Leiter Antonio Moral von Anfang an auf einen großen Namen abgesehen. Sie fanden, dass es an der Zeit ist, ihrem Opernhaus international zu einer größeren Beachtung zu verhelfen.

Das vor elf Jahren wiedereröffnete Teatro Real - an der Plaza de Oriente gegenüber des Königspalasts gelegen - gehört in der Welt der Oper bislang nicht zu den ersten Adressen.

Das Opernhaus führte nach Angaben der Zeitung "El País" Verhandlungen mit dem Intendanten der Scala, Stéphane Lissner, aber dieser entschloss sich, doch in Mailand zu bleiben. Dann wurde plötzlich Mortier frei, weil der Belgier auf einen Direktor-Posten in New York verzichtete. Das Angebot aus Madrid dürfte bei Mortier anfangs jedoch nicht nur auf Begeisterung gestoßen sein. "Ich spreche doch kein Spanisch", sagte Mortier kürzlich der Zeitung "El Mundo".

In Madrid könnte ihm zudem widerfahren, was ihm bereits bei den Salzburger Festspielen, die er zehn Jahre managte, zu schaffen gemacht hatte. Als Intendant der war Mortier in den 90er Jahren mit seinem kühnen Programm häufig zum Buhmann eines konservativen Stammpublikums geworden. Auch das Madrider Opernpublikum gilt als konservativ. Der Chor und das Orchester gehören nicht zur internationalen Spitze.

Mortier soll nun die verkrusteten Strukturen im Teatro Real aufbrechen und dafür sorgen, dass statt Beschaulichkeit mehr Bewegung in die Madrider Oper einkehrt.

Einen ersten Erfolg erzielte er bereits ein Jahr vor seinem Amtsantritt: Das Opernhaus wird seinen Musikdirektor Jesús López Cobos nicht durch einen neuen Chefdirigenten ersetzen. Stattdessen wird es, den Vorstellungen Mortiers entsprechend, ein "Rotationssystem" mit mehreren renommierten Dirigenten einführen. "Mit Mortier eröffnet sich dem Teatro Real nun eine faszinierende Etappe", meinte "El País".

Auch in NRW ist er wohlbekannt. Der damalige Kultusminister Michael Vesper holte ihn als Gründungs-Intendant der RuhrTriennale. Und mit Erfolg: Mortier verschaffte diesem neuen Festival europaweite Aufmerksamkeit.