Peer Gynt: Geiler Hahn im Norweger-Pulli
Düsseldorfs Ex-Intendant Holm meldet sich mit „Peer Gynt“ zurück. Auf der Bühne: Viele Fotos in Schwarz-Weiß und ein Spiel mit Längen.
Düsseldorf. Foto-Kunst ist in Düsseldorf ein Renner. Wahre Pilgerströme hat es jüngst zu den Werken von Andreas Gursky gezogen. Auf diese Leidenschaft zielt Staffan Holm wohl ab, wenn er den Zuschauern seiner „Peer Gynt“-Inszenierung im Düsseldorfer Schauspielhaus einen Museumsraum mit großformatigen Schwarzweiß-Fotografien präsentiert.
Seine Frau Bente Lyke Moller hat diesen unsinnlichen, kühlen Ort in Grau geschaffen. Ein Ort, an dem Holm als Regisseur — nach Burnout und Rücktritt als Intendant — einen Großteil des Ensembles in folkloristischen Kostümen, mal als norwegische Bauern mal als muslimisch verschleierte Afrikanerinnen, auftreten lässt.
Knapp vier Stunden streift der Held im Norweger-Pulli (Olaf Johannessen) durch dieses Museum seines eigenen Lebens: Ein Lügner und Phantast, der sich als Weltherrscher sieht und bei jeder Frau die Hose öffnet. „Ich bin ein geiler Hahn“, singt er. Auf den verschiebbaren Wänden sieht man Bilder, Assoziationen zu seinen Erlebnissen: Eine Röntgenaufnahme zeigt einen Vogel mit Bleikugeln im Körper.
„Ich bin vogelfrei. Vor dem Wald warten sie auf mich mit ihrem Blei“, sagt Gynt. Warum Holm diese Geschichte erzählt, erschließt sich nicht. Treu dem Text folgend spricht Hauptdarsteller Olaf Johannessen Zeile um Zeile. Er ist ein Schauspieler, der in Stücken wie „Karte und Gebiet“ Klasse bewiesen hat. Doch hier sagt er auf, was Ibsen schrieb. Was treibt diesen Suchenden? Die Antwort ergibt sich nicht aus dem Spiel. Seine Geilheit ist bloße Behauptung.
Einmal nimmt die Inszenierung Fahrt auf, als Gynt im Reich der Trolle auf Macht und Reichtum hofft. Mit dicken Brillen und langen Schwänzen setzen die Wesen ihm zu, vom Menschsein zu lassen und bei ihnen zu bleiben. „Sei dir selbst genug“ lautet ihre Losung.
Mit Lust und Gespür für die Komik gibt Moritz Führmann den schielenden Alten, der Gynt seinen „besten Sonntagsschwanz mit Seidenschleife“ anbietet. Gynt findet am Ende Erlösung bei der holden Solveig (Anna Kubin). Mit blondem Zopf und Blumenkranz könnte sie aus einem Skandinavien-Hochglanzprospekt stammen.
Erschöpft ist nicht nur Gynt, sondern auch das Publikum. Mit großem Applaus bedankt es sich dennoch bei den Schauspielern und bei Holm. Zu verstehen ist das wohl vor allem als Bekenntnis zu einem Schauspielhaus, das in der Krise steckt.