Stückl inszeniert Hochhuths „Stellvertreter“

München (dpa) - Der Leiter der Passionsspiele Oberammergau, Christian Stückl, bringt als Intendant des Münchner Volkstheaters Rolf Hochhuths papstkritisches Werk „Der Stellvertreter“ auf die Bühne.

Das Stück erzählt die Geschichte eines jungen Jesuiten, der während der Shoah versucht, Papst Pius XII. aufzurütteln und zu einer öffentlichen Stellungnahme zu bewegen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa spricht Stückl über das systematische Schweigen der katholischen Kirche, den Antijudaismus, und er erklärt, warum er nicht daran denkt, aus der Kirche auszutreten.

Herr Stückl, das Plakat zum Stück zeigt betende Hände, die aus einem Sandhaufen herausgucken. Ziemlich programmatisch ...

Stückl: „Unser Plakatdesigner kam erst mit dem Papst und dem Dritten Reich an, aber ich habe ihm gesagt: Darum geht es nicht in erster Linie. Das Stück heißt "Der Stellvertreter" und da ist natürlich vordergründig der Papst gemeint, weil er eben diesen Titel trägt. Aber in dem Stück wird dieser junge Mönch, der sich einen Judenstern an die Brust klebt und mit nach Auschwitz geht, zum eigentlichen Stellvertreter Jesu auf Erden. Das Plakat zeigt also nicht den Papst, der den Kopf in den Sand steckt, sondern den Mönch, der aus dem Sand heraus versucht, eine Idee hochzuhalten.“

Wie wichtig ist denn für Sie die Rolle des Papstes?

Stückl: „Der junge Mönch setzt all seine Hoffnungen auf den Papst und Rom und als er schließlich da ist, steht er nur vor verschlossenen Türen. Als das Stück 1963 rauskam, gab es einen Aufschrei. Ich glaube, heute kann eine ganze Generation mit dem Namen Pius XII. schon nichts mehr anfangen.“

Aber gerade an der Rolle von Papst Pius XII. kann man doch sehr viel ablesen über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft ...

Stückl: „Es gibt in der Kirche sehr viele Momente des Schweigens. Seit ich das Passionsspiel übernommen habe, beschäftige ich mich mit dem Antijudaismus in der Kirche, den sie über Jahrhunderte gepflegt hat. Dadurch hat sie auch den Boden bereitet für den Antisemitismus Hitlers. Der kam ja nicht aus heiterem Himmel und da hat die Kirche sicher eine Mitschuld. Man hat über Jahrhunderte nicht haltgemacht vor Pogromen, vor Ghettoisierung. Ich bin ja selber Katholik und war auch schon mal auf der Seite www.kirchenaustritt.de - wie vielleicht viele. Aber ich kann ja in so einem Stück nicht alles, was mich nervt an der Kirche, mitverarbeiten. Darum konzentriere ich mich in diesem Stück auf die Rolle des Mönchs und die Courage dieses jungen Menschen. Es kann nicht nur um Schuldzuweisungen gehen.“

Warum machen Sie dieses Stück?

Stückl: „Ich habe 20 Jahre lang mit Rabbinern, Theologen und Historikern über den Antijudaismus im Passionsspiel und in der Kirche gesprochen. Als ein Benedikt XVI. 2010 plötzlich Gespräche mit den Pius-Brüdern aufgenommen hat, habe ich mir brutal gewünscht, dass er zu einem Holocaust-Leugner Williamson sagt, diesen Herrn wollen wir nicht. Bessere Theologen wie Hans Küng hat man exkommuniziert. Natürlich habe ich mich innerlich erbost, dass der Papst plötzlich die Karfreitagfürbitte für die Juden wieder einführt. Das ist Ausdruck eines latenten Antijudaismus in der Kirche, den es auch in der Gesellschaft noch gibt. Und dann geh ich in Hamburg an einem Schaufenster vorbei - und darin liegt "Der Stellvertreter".“

Warum sind Sie nie aus der Kirche ausgetreten?

Stückl: „Wenn ich austrete, dann zeige ich für einen Moment vielleicht meinen Unmut, aber ich bin dann auch draußen. Sobald ich austrete, bin ich für die Kirche kein Gesprächspartner mehr. Ich empfinde mich als Katholik, ich bin total katholisch sozialisiert. Ich kann den Glauben, den ich habe, nicht ausziehen wie eine Unterhose. Ich weiß, dass es Katholiken gibt wie den Ratzinger und ich weiß, dass es Katholiken gibt wie den Küng, und viele dazwischen. Die katholische Kirche ist wie eine ganz eigenartige Familie, in der es Solche und Solche gibt. Raus kommst du nicht - da gehörst du dazu.“