Von der Studie zur Skulptur
Das Von der Heydt-Museum präsentiert Werke verschiedlicher Genres aus dem Depot.
Wuppertal. Schon die Zahl ist beeindruckend: Rund 20.000 bis 30.000 graphische Blätter liegen im Depot. Wie viele solcher Schätze das Wuppertaler Von der Heydt-Museum genau besitzt, hat noch niemand gezählt. Selbst Herbert Pogt nicht. So viel weiß der Kurator aber: "In der neuen Ausstellung sind massenweise Neuentdeckungen zu machen."
So bringt Pogt zusammen, was im Prinzip zusammengehört: "Zeichnung und Skulptur". Denn auch sonst ist der Kunsttempel gut bestückt: 600 Skulpturen gehören zum Wuppertaler Bestand. Weil Quantität aber noch lange nicht Qualität ist, hat der Kurator "die herausragendsten" ausgewählt: Alexander Archipenko, Kenneth Armitage und Wilhelm Lehmbruck sind nur einige der international renommierten Bildhauer des 20.Jahrhunderts, deren Arbeiten die museumseigene Sammlung bereichern.
80 Werke von 18 Künstlern, darunter 32 Plastiken, werden nun präsentiert. "70 davon rücken wir zum ersten Mal ins Licht der Öffentlichkeit", sagt Pogt stolz. Was sonst im Verborgenen schlummert, zeigt sich in faszinierenden Facetten - in eher groben Bildhauerzeichnungen, die als Vorstufe einer Skulptur mit Proportionen spielen, genauso wie in zarten, ausgefeilten Skizzen, die auch unabhängig von der dazugehörigen Plastik wirken.
Erich Cleffs Studien sind besonders detailverliebt. Ob seine "Männerköpfe im Profil" die perfekte Vorbereitung für sein Bronze-Abbild von "Carl Robert Schmidt" waren und damit unmittelbar zusammenhängen, kann Pogt nur mutmaßen. Doch genau das ist der große Reiz der Ausstellung, in der sich zwei Kunstgattungen berühren.
"Die Besucher können versuchen zu rekonstruieren, was in den Köpfen der Künstler vor sich ging", sagt Pogt. "Vor jedem Werk stellt sich eine andere Frage." Zumal die Exponate geschickt gegenübergestellt werden. Formen und Motive, die in Grafiken dominieren, finden sich auch in den Plastiken wieder, die vor oder neben ihnen stehen. Wie eng die Schnittstelle zwischen Zeichnung und Skulptur sein kann, zeigt Kurt Schwippert: "Dunja" hat er nicht nur mit seinem Bleistift festgehalten, sondern auch dreidimensional verewigt - in Bronze.
So eröffnen sich Spannungsfelder, die auch Georg Kolbe zu nutzen wusste: Kauernde Frauen hat er in Bronze gegossen. Das perfekte Spiegelbild seiner Skulpturen ist ein "Gebeugter Akt". Und der verdeutlicht es ganz schnörkellos: Bildhauer interessiert in Zeichnungen nicht das Drumherum, sondern die nackte Form. Die Proportionen sind entscheidend - nicht die Farben, an denen sichtlich gespart wird.
Auch Max Klinger zeichnete keinen Hintergrund - dafür aber Muskelkonturen. Seine Armstudien hängen zwischen zwei (fast) identischen Skulpturen: Klingers "Badendes Mädchen" ist gleich zweimal vorhanden. Links glänzt es als poliertes Bronzestück, rechts wirkt es ermattet. "Brandschäden" sind Schuld. Pogt zufolge ist das Werk "durch das Feuer des Weltkriegs gegangen."
Auch die Arbeiten von Eugen Busmann, Wilhelm Loth oder Gerhard Marcks lassen keinen Zweifel daran, dass Bildhauerzeichnungen seit dem 19. Jahrhundert zu recht als eigenständige Kunstwerke gelten. Sie dienten als Vorbereitung und praktische "Maßgeber", häufig auch als ein erstes Geschenk für Auftraggeber.
Dass auch Tony Cragg einen Platz in der höchst interessanten Ausstellung verdient hätte, steht außer Frage. Eine Gegenüberstellung kam trotzdem nicht in Betracht, weil sich die Neuentdecker bewusst auf die eigene Sammlung konzentrieren. Und während das Museum von Cragg Skulpturen, jedoch keine Zeichnungen besitzt, ist es bei Beuys umgekehrt.