Kunst in Düsseldorf Cornelius Völker und die Flucht der banalen Dinge
DÜSSELDORF · 85 Ölgemälde und 50 Papierarbeiten – alle aus den letzten 25 Jahren - präsentiert Cornelius Völker in nach Sujets gegliederten Bereichen im Kunstpalast im Ehrenhof in Düsseldorf. Was Sie in dieser Ausstellung alles erwartet.
Saftig leuchten Pflaumen. Die gewölbte Oberfläche der prall reifen, taubenblauen Frucht funkelt – beinah wie ein Juwel. Ähnlich wie eine überreife Birne in güldenem Gelb. Auf der anderen Seite sieht man die geballten Hände einer Frau und ihre kraftvoll sehnigen Arme, die am Körper herunterhängen. Grün schimmernde Bluse und intensiv gestreiften Rock bringt Cornelius Völker auf große und kleine Leinwände – mit temperamentvollem, entschiedenem Schwung. Selbst breite Ölflächen scheint der Künstler in einem Rutsch aufzutragen. Zunächst mit feinen, dann mit breiten Pinseln.
Ebenso andere Gegenstände des Alltags wie prächtige Blumen-Stillleben auf leicht verschwommenem Hintergrund, blutbeschmierte Pflaster und Salbentuben, einen Hund – oder eine Reihe von Meerschweinchen. Die Vergänglichkeit trivialer Dinge und der Menschen – sie schwebt über vielen Exponaten. Selbst in lichtdurchfluteten Farbkontrasten, in denen Cornelius Völker auf monochromem Hintergrund in grell roten, grünen oder blauen Popfarben Starporträts von den kleinen Felltieren anfertigt. Er hebt sie somit – wie die meisten seiner Motive - aus ihrer alltäglichen Banalität heraus. Völker (58), dem international bekannten Maler und Kunstprofessor der Hochschule in Münster, ist endlich ein umfassende Museums-Schau in seiner Wahlheimat Düsseldorf gewidmet.
85 Ölgemälde und 50 Papierarbeiten – alle aus den aus den letzten 25 Jahren - präsentiert Cornelius Völker in nach Sujets gegliederten Bereichen im Kunstpalast im Ehrenhof: nur wenige Minuten entfernt von Düsseldorfs Kunstakademie – dort, wo er in den späten 1980ern bei Dieter Krieg und A.R. Penck studierte. Für den Kunstpalast, der nach Erweiterung, Sanierung und Bau einer Gastronomie Ende November in neuem Glanz erstrahlen soll, ist Völkers Meisterschaft und seine leidenschaftliche Farbenpracht der erste Paukenschlag der Wiedereröffnungs-Serie.
Alle Figuren wachsen sich auf Bildfläche zu Skulpturen aus
Kräftig leuchten und quillen Farben überall. Mit altmeisterlicher Perfektion erhöht Völker Alltagsgegenstände - damit verblüffte er bereits als Student bereits in seinen frühen Galerie-Ausstellungen Anfang der 1990er Jahre. 1995 entstand bereits das Bild einer quadratischen Tafel Schokolade – plastisch überhöht und ungebrochen. Klar, dass Völkers hier gezeigte Gemälde dauerhaft im Schokoladen- und Kunst-Museum Ritter in Baden-Württemberg ein Zuhause gefunden hat.
Ob ein Mann gerade seinen Pulli über den Kopf streift und der Blick auf eine Feinripp-Unterhemd und Cordhose fällt. Ob ein zotteliger Hund den Betrachter fixiert oder einfach zermatschte Himbeeren vor sich hin zerlaufen – alle Figuren und Gegenstände, selbst mit Gurken oder Paprika gefüllte Einmachgläser, wachsen sich auf der Bildfläche zu Skulpturen aus. Die Plastizität der ‚Objekte‘ verstärkt Völker durch seine bewusst unscheinbaren Hintergründe. So auch bei Büchern – entweder wie ein Turm gestapelt oder in einem Rechteck ausgebreitet. Kleine bunte Haftmarker ragen aus den Buchrändern heraus. Auf diesen Bildern lässt Viel-Leser Völker einen Blick in sein Atelier zu. Erstaunlich, wie farbintensiv, kontrastreich und lebendig diese Bücherberge mit ihren wulstigen Rändern und gewölbten Buchrücken ausschauen. Die flackernde Kerze davor weist auf altmeisterliche Motive.
Pflanzen, Menschen, Tiere – die Vergänglichkeit des Seins ist auf seinen Menschenbildern oder Stillleben allgegenwärtig. Die Verletzlichkeit des Menschen thematisiert er anhand von Pflastern, Tampons, Narben. Unübliche Motive, die die dunkle Seite des Lebens berühren.
Wunderschön, fast zu schön ragen einige seiner großformatigen Blumenstillleben in schwindlige Höhen von drei Metern empor. Blüten in zartem Rosa, in leuchtenden Gelb- und Orange-Tönen schweben auf dem Bild und tauchen ein in einen verschwommenen, dann durchsichtigen Hintergrund. Schon von Weitem locken seine neueren Blätterbilder (von 2022) in spätsommerlichen, kräftig leuchtenden Farben – sattes Gelb und phosphorrot hier, zahlreiche Grünschattierungen dort. Trotz der Fülle der Blätter leuchtet jedes einzelne und erinnert an einen kostbaren Edelstein. Verlockend schön können bei Völker selbst polierte, funkelnde Handfeuerwaffen (mit genauer Typenbezeichnung).
Völker verleiht durch seine hoch entwickelte Malkunst jedem Gegenstand oder Menschen etwas Unverwechselbares. Vielleicht ist es kein Zufall, dass er 1965 im bayrischen Kronach geboren wurde – an dem Ort, an dem der große Renaissance-Maler Lukas Cranach der Ältere 1472 zur Welt kam.