Tanzhaus NRW Pulsierendes Leben in maroder Bausubstanz

DÜSSELDORF · 25 Jahre Tanzhaus NRW: drei Tage Jubiläumsfestival vom 1. bis 3. September. Der Umbau verzögert sich weiter.

Blick auf den Eingangsbereich des Tanzhauses NRW

Foto: Katja Illner

Es war ein kleines Wunder: Als in Düsseldorf in dem mehr als 100 Jahre alten, verwaisten Straßenbahndepot neben dem Musicalhaus Capitol im April 1998 das Tanzhaus NRW Eröffnung feierte, wurde ein Modellprojekt Wirklichkeit. Hervorgegangen aus der Kultur- und Weiterbildungsstätte „Die Werkstatt e. V. für Tanz, Theater, Malen, Werken und Gestalten“, die wegen einer Mieterhöhung ursprünglich nur umziehen wollte, gelang mit diesem ambitionierten Projekt ein Coup. In finanzschwachen Zeiten mit hoher Arbeitslosigkeit war es den Initiatoren um „Werkstatt“-Chef Bertram Müller gelungen, Bund, Land, Stadt und Sponsoren von einem neuen Konzept mit Fokus auf dem zeitgenössischen Tanz zu überzeugen: 13 Millionen Mark machten diese für den Umbau locker.

Ein Hotspot der internationalen Tanzszene

Heute ist das Tanzhaus NRW längst nicht mehr nur ein „außergewöhnlicher Akzent in der Kulturlandschaft NRW“, wie Ilse Brusis, Ministerin für Stadtentwicklung, in ihrer Eröffnungsrede damals formulierte, aber durchaus ein „stadtbildprägendes Gebäude“ geblieben. Vor allem aber ist dieser Ort, 4000 Quadratmeter groß, ein Hotspot der internationalen Tanzszene mit seinem hochkarätigen Bühnenprogramm, seinen Festivals, dem choreografischen Produktionszentrum, Partizipationsangeboten und seiner Akademie, dem Kurs- und Workshopangebot für Profis und Laien. Vom 1. bis 3. September lädt die Institution zum dreitägigen Jubiläumsfestival ein, um 25 Jahre Tanzhaus NRW zu feiern. Dabei sollen auch die Besucher in Bewegung kommen.

Die Institution befindet sich in einer wichtigen Phase: Nach einem dramatischen Einbruch der Besucherzahlen während Corona haben sich die Zahlen im ersten Halbjahr 2023 mit rund 23 000 Zuschauern wieder auf dem Niveau vor der Pandemie eingependelt. Und die neue Intendantin Ingrida Gerbutaviciute, die in ihrer ersten Spielzeit 2022 nach wenigen Monaten in den Mutterschutz ging, sitzt rechtzeitig zum Jubiläum wieder im Chefsessel, um die vitale Einrichtung in die Zukunft zu führen.

Pulsiert das Leben auch weiterhin in dem ehemaligen Depot, so ist der dringend notwendige Umbau, der sich immer weiter verzögert, doch ein schwerwiegendes Problem. „Das Bauprojekt läuft seit 2018, die Planung ist bereits seit über einem Jahr abgeschlossen und wichtige Meilensteine wie die Bewilligung der Baugenehmigung durch das Bauamt sind erreicht“, konstatiert Ingrida Gerbutaviciute. Dennoch warte man seit über einem Jahr auf den Finanzierung- und Ausführungsbeschluss durch die Stadt Düsseldorf. Die Litauerin: „Uns wurde nun mitgeteilt, dass die Beschlüsse, die uns ermöglichen, das Projekt weiter voranzutreiben, noch in diesem Jahr gefasst werden.“

Das ist auch bitter nötig. Die marode Bausubstanz zeigt deutliche Spuren im hinteren Teil des Gebäudes. Gerbutaviciute: „Das Dach ist an manchen Stellen so undicht, dass es in die Dozenten-Garderoben und Büros der Mitarbeiter teilweise hineinregnet. Eine Wand im Hinterhof des Tanzhauses weist diverse Schäden auf und bröckelt.“ Sie appelliert an die Verantwortlichen: „Es besteht dringender Handlungsbedarf!

Rund 25 Millionen Euro werden Sanierung und Erweiterungsbau mittlerweile kosten. Die ursprüngliche Planung ging 2020 von 18,5 Millionen Euro aus, davon wurden 5,6 Millionen für die Sanierung und 12,8 Millionen für den Neubau veranschlagt. Das Land hatte sich bereit erklärt, die Hälfte der Kosten für den Neubau zu übernehmen. Der Baubeginn sollte im Sommer 2022 erfolgen, Ende 2024 sollte das Tanzhaus NRW in neuem Glanz erstrahlen. Nun wird mit einer Fertigstellung frühestens im Sommer 2026 gerechnet.

Der Besucher-Zuspruch hat sich seit den Anfangsjahren mit rund 23 000 Tanzfreunden pro Jahr bei Festivals und Gastspielen bis 2012 nahezu verdoppelt und blieb in den Folgejahren stabil. Die Zahl der Kursteilnehmer in der Akademie liegt bei 6000 Personen pro Jahr und ist etwas rückläufig. Grund: Die Gruppen werden kleiner gehalten, um eine hohe Qualität auf der pädagogischen Ebene zu gewährleisten. Hier setzt man auf den Umbau: Er soll zusätzliche Studio-Kapazitäten ermöglichen – für Workshops und Proben der Residenzkünstler.

Das Jubiläumsprogramm vereint die vielen künstlerischen Positionen, die das Tanzhaus NRW auszeichnen, so die neue Chefin. So wird Marco da Silva Ferreiras‘ neues Stück „Carcaça“ mit seinem rasanten Tanz den Saal in ein vibrierendes Kollektiv verwandeln. Die Choreografie versprüht eine ungeheure Energie, die die politischen und sozialen Potenziale von Tanz erkundet. Im Foyer fordert die virtuelle Installation „Post Digital Bodies“ der Künstlerin Brigitte Huezo während des gesamten Festivals die Besucher auf, mit den eigenen Bewegungen Teil des Kunstwerks zu werden und seinen Ausdruck zu beeinflussen.

Ein Highlight ist die Uraufführung „The Dancing“ der Choreografen Bouzid Ait Atmane und Saïdo Lehlouh. Sie laden in der Düsseldorfer Innenstadt zum kollektiven Tanz mit unterschiedlichen Stilrichtungen ein. Außerdem: die inklusive Performance „Goodbye, Stracciatella“ der Kompanie „Beweggrund & Tabea Martin“ sowie der selbst getanzte Geburtstagsgruß „25YearsIn25Moves“ der Dozenten des Hauses. Dazu: Elektro-Konzerte und Parties.

1. bis 3. September, Tanzhaus NRW, Düsseldorf