Konzertkritik Wie das erste Konzert von Depeche Mode in Düsseldorf lief

DÜSSELDORF · Die Band feiert ihr Überleben in der Landeshauptstadt und begeistert die Fans mit einem kraftvollen Auftritt voller Spiellust.

Dave Gahan von Depeche Mode beim ersten Deutschland-Konzert der Memento-Mori-Tour. Auch in Düsseldorf...

Foto: dpa/Jan Woitas

Nach „Never Let me down again“ und fragt man sich, was jetzt noch kommen soll. Gahan schwenkt die Arme und alle folgen ihm, das Bild ist nicht nur imposant, es ist ein wahnsinniger Gänsehautmoment kollektiver Ästhetik. Aber Dave Gahan bleibt einfach auf der Bühne in der Düsseldorfer Arena, wischt sein Schweiß getränktes Haar nach hinten und verbiegt dabei den immer noch geschmeidigen Körper, was ein untrügliches Zeichen seiner Spiellust ist, hält sein Mikrofon fest und signalisiert, dass da noch was kommen wird. Und dann spielen Depeche Mode zum Abschluss von 130 begeisternden Konzertminuten ihren 89er Violator-Rocksong „Personal Jesus“, gitarrenlastig, kraftvoll, sonor, rotzig.

Die Stimme des inzwischen 61 Jahre alten Gahan hält, was sie seit mehr als 40 Jahren verspricht. Und was sich beim düsteren ersten Song „My Cosmos is Mine“ schon aus dem Dunkel des visuell zunächst etwas darbenden Intros angedeutet hat: Gahan, vor dreißig Jahren knapp dem Drogentod entgangen und seither mit andauernder Jugendlichkeit gesegnet, ist präsent wie immer, sein hochfliegendes Ego prägt das Konzert, die Bereitschaft abzuliefern lässt nicht nach. Mit ihm trägt diese Lust sein verbliebener Kompagnon Martin Gore, ebenfalls 61, durch den ersten Abend in Düsseldorf. Mit dem zweiten Konzert der Briten an diesem Dienstag werden sie 90 000 Menschen in Düsseldorf unterhalten haben. Bei geschlossenem Arena-Dach, so viel künstlerische Bestimmung darf dann doch schon mal sein. Mancher hatte sich auf ein Freiluftevent gefreut.

Gahan und Gore intonieren gemeinsam zur ersten Zugabe „Waiting for the Night“ weit vorn auf dem in das begeisterte Publikum hineinragenden Steg, umarmen sich danach. Gore liefert an selber Stelle seine Protagonisten-Auftritte „A Question of Lust“ und „Soul With Me“, Letzterer vom aktuellen 15. Album „Memento Mori“, mit bekannt sanftem Seelen-Gesang ab, und danach kehren Gahan und dessen Ego zurück. Der Eindruck steht: Stimmlich haben die beiden übrig Gebliebenen nie besser zueinander gepasst, und allein das ist ein guter Grund, nach dem Tod von Bandmitglied Andrew Fletcher im Vorjahr und all den Zweifeln der jüngeren Jahre doch wieder auf die Bühne zurückgekehrt zu sein. Man hat nicht den Eindruck, als hätte das irgendjemand an diesem Abend für eine schlechte Idee gehalten. Das Schöne an Depeche Mode im 44. Jahr ihres Bestehens ist die Garantie, dass es sich hier nicht um einen braven Revue-Abend einer großen Zeit von gealterten Ex-Stars handelt, sondern dass die Gewissheit besteht, einfach mittendrin zu sein in dieser Karriere, in dieser großen Zeit. Dass Fletcher im vergangenen Jahr verstorben ist, spielt nur eine kleine Rolle an diesem Sonntagabend: Die Band hat ihm seinen Lieblingssong „The World in My Eyes“ gewidmet, Fletchers Bild aus den frühen Jahren der Band strahlt auf den großen Leinwänden rechts und links der Bühne, und seine Augen schließen sich dabei langsam. Statt Fletcher, dessen Bindungskraft für das Gesamtgebilde die Anhänger der Band schmerzlich vermissen, sind Bassist Peter Gordeno und Schlagzeuger Christian Eigner Teil der Inszenierung, auch sie prägen die Leinwände immer wieder, eine Anti-Eitelkeit, die für Dankbarkeit Gahans und Gores spricht.

Echte Höhepunkte des durchweg kraftvollen Konzertabends von großer Ausstrahlung, dessen Akkustik begeistert hat, sind „Walking in My Shoes“, „In Your Room“, „I Feel You“, „A Pain That I’M Used to“ „Wrong“ und „Enjoy The Silence“ als letzter Song vor der Zugabe. Die wiederum gerät dann zu ekstatischen Momenten im Publikum, voller Spiellust, herausragenden Arrangements, die manche der Lieder weiter aufgewertet haben. So ist das dargebotene „Best of“ eben keine Abnudelei von Altbekanntem, sondern ein erstaunlich innovatives Fest von zwei Künstlern, die sich selbst offenbar immer noch nicht satt haben. Dass Gahan dabei auf den komplett entblößten Oberkörper inzwischen verzichtet, ist mit noch mehr Kajal das einzige Zeichen der Alterung. Womöglich war das noch nicht der Abschied. Wer auf große Momente steht, sollte sich das wünschen. Am heutigen Dienstag gleich noch einmal zu bestaunen.