Meisterkonzert in Düsseldorf Lang Lang zelebriert und irritiert

DÜSSELDORF · Die Anziehungskraft von Lang Lang auf das Publikum hat nicht nachgelassen. Weltweit füllt er große Hallen, manchmal Stadien. So war auch sein Auftritt in Düsseldorf ausverkauft, auch weil an dem Abend ein reines Beethoven-Programm angesagt war.

Der chinesisch-amerikanische Starpianist machte sich auf Beethovens drittes Klavierkonzert seinen persönlichen Reim. In der Tonhalle blieb kein Platz frei.

Zumal der Dirigent beim letzten Meisterkonzert der Saison ebenfalls zur Weltklasse zählt: Andris Nelsons. Vielbeschäftigt und permanent auf Achse, tourt der gebürtige Litauer als Chefdirigent von zwei Top-Orchestern (Boston und Leipzig) derzeit durch Deutschland. Allerdings mit dem Mahler Chamber Orchestra, das Nelsons auf einen hoch elektrisierenden, stürmisch jagenden Beethoven getrimmt hatte. Beide – Musiker und Maestro – wurden am Ende mit stehenden Ovationen gefeiert.

Einen solchen Triumph hatte davor Lang Lang – immer noch einer aus der ersten Pianisten-Garde seiner Generation – nicht zu verbuchen. Zwar feierten (nicht nur) seine Fans Langs pianistisches Virtuosentum und seine technische Souveränität, die er besonders in der spielerischen Kadenz des C-Moll-Opus ausreizte. Der mittlerweile 42jährige Musiker überraschte mit höchst eigenwilligen Tempi. Im langsamen zweiten Satz (Largo) verzögert, dehnt er die Akkorde, drosselt er die Geschwindigkeit so, dass die Musik stehenzubleiben droht. Ein Balance-Akt, aus dem er sich mit perlenden, huschenden, dann wieder rasant fegenden Läufen in das finale Rondo-Allegro hineinrettet.

Effekte und Posen liebt er von Beginn an. Seine Arme rudern und kreisen, kerzengerade sitzt er am Steinway mit suchendem Blick in die Tonhallen-Kuppel. Dann demütiger Dank für die Huldigungen. All das macht er seit dem kometenhaften Aufstieg in den Olymp, der 2003 einsetzte. Schon damals setzte er lyrische Schwelgereien, Emotionen und sich selbst in Szene. So viel Parfum wie einst jedoch versprüht Lang längst nicht mehr. Heute, Vater eines zweijährigen Sohns, verzichtet er überwiegend auf süßlichen Plunder, zelebriert stattdessen poetische Tiefe und weite Bögen. Manchmal irritieren plötzliche Schwankungen von Tempo und Dynamik.

Einem Teufelsritt gleich kamen Nelsons Interpretation von Beethovens Fünfter. Bereits in der Coriolan-Ouvertüre stemmt sich Nelsons mit ganzer Körperkraft in die drängenden Akkorde. Mit bohrenden Bewegungen peitscht er die Orchester-Musiker zunächst durch die berüchtigten vier pochenden Schicksalsschläge, mit denen der erste Satz beginnt. Wie eine Warnung klingen Bläser-Fanfaren und dunkle Streicher-Ballungen. Atemloses Stürmen erzeugt streckenweise beinah eine Panik vor drohendem Unheil. Verstärkt noch durch scharfkantigen Sound und schneidende Akkorde, die unvermittelt abbrechen. Und im Raum für kurze Sekunden stehen bleiben. Im Gegensatz zum drängenden, hitzigen Turbotempo dehnt Nelsons das Andante – und beschwört Weltschmerz. Eine solche Fünfte bleibt dem Zuhörer lange im Ohr.