Klimawandel Klima-Aktivist statt nur Humorist

OBERHAUSEN · Gasometer Oberhausen begeistert weiter mit der Schau „Das zerbrechliche Paradies“. Dazu passt Eckart von Hirschhausens eindringlicher Vortrag.

 Eckart von Hirschhausen Foto: Dirk Böttger, Gasometer Oberhausen GmbH

Eckart von Hirschhausen Foto: Dirk Böttger, Gasometer Oberhausen GmbH

Foto: Boettger

Seit knapp zwei Jahren läuft im Oberhausener Gasometer die spektakuläre, aber auch bedrückende Ausstellung „Das zerbrechliche Paradies“. Mehr als eine Million Menschen haben sie bereits gesehen. Spektakuläre Fotos im Großformat zeigen die Schönheit des Lebens und seine Gefährdung insbesondere durch den Menschen. Bilder, die verzaubern, aber zum großen Teil auch verstören. Einige wenige vermitteln, dass es vielleicht noch einen Weg heraus gibt aus der sich immer mehr abzeichnenden Klimakatastrophe.

In dieses Szenario passt einer besonders gut: Eckart von Hirschhausen, gelernter Arzt und Wissenschaftsautor, steht versetzt unter der riesigen Weltkugel (Durchmesser von 20 Metern) vor dem voll besetzten Zuschauerrund des Gasometers und versucht genau das: den Ernst der Lage aufzuzeigen und gleichzeitig mit seiner bekannt humoristischen Art die Menschen mitzunehmen.

Hirschhausen, der vor zwei Jahren die Stiftung „Gesunde Erde, gesunde Menschen“ gegründet hat, fragt in die Runde, wer von den Besuchern denn älter als 50 sei. Die große Mehrzahl der Hände geht nach oben. Hirschhausen sieht das als ermutigendes Signal, denn die Fridays-for-Future-Generation brauche Unterstützung. Deren Vorkämpferin Luisa Neubauer habe ihm auf seine Frage, was die Alten denn tun könnten, geantwortet: „Erst alles kaputt machen und dann beim Aufräumen nicht zu helfen – das haben wir doch im Kindergarten anders gelernt.“ Gerade diese Ü-50-Generation, so sagt auch Hirschhausen, habe doch die Möglichkeit, große Dinge zu bewegen – oder zu unterlassen. Er fordert seine Zuhörer auf, mindestens einen seiner klugen Gedanken (er ist da ganz unbescheiden) an anderer Stelle weiterzuerzählen.

Die beste Medizin, so sagt der Mediziner, habe keine Chance, wenn die Rahmenbedingungen schlecht sind: die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, die Pflanzen, die wir essen, die Temperaturen, die erträglich sein müssen und ein friedliches Miteinander. All diese Faktoren seien massiv unter Druck. Schon viel zu viel Zeit sei verschwendet worden. Der Club of Rome oder auch der populäre Wissenschaftserklärer Hoimar von Ditfurth hätten schon vor Jahrzehnten vor den Gefahren gewarnt, die jetzt für jedermann spürbar seien. Die Ölkonzerne hätten mit Propaganda gegengesteuert, all diese Erkenntnisse verdreht und diffamiert. „Das hat uns Jahrzehnte zurückgeworfen“, sagt Hirschhausen. „Wir hätten so viel mehr Zeit gehabt, das Ruder herumzureißen.“

Im vergangenen Sommer habe er im weitgehend vertrockneten Flussbett des Rheins gesessen. Kurz darauf habe FDP-Verkehrsminister Volker Wissing allen Ernstes gesagt, zur Aufrechterhaltung des Schiffsverkehrs müsse man gegebenenfalls die Fahrrinne tiefer buddeln. So etwas könnten nicht mal Humoristen toppen, sagt Hirschhausen, der früher immer selbst in dieser Funktion unterwegs war. „Das Wasser wird dann doch nicht mehr, sondern eben nur tiefergelegt.“

2023 sieht Hirschhausen, der die Kabarettbühne zugunsten des Klimathemas aufgegeben hat, als Wendejahr. Immer mehr Menschen werde klar, dass das, was wir immer als Reisefreiheit geschätzt haben, seinen Wert verliert. „Wir wollten doch immer dahin, wo es warm ist, nach Spanien, Italien, Griechenland.“ Überflutungen, Hitzewellen, Dürren und Feuer drehten das Bedürfnis nach Reisefreiheit um - in den Wunsch auf Bleibefreiheit: da bleiben zu können, wo es noch auszuhalten ist. Andere Menschen auf der Welt hätten diese Bleibefreiheit bald schlichtweg nicht mehr. „Die werden von dort weggehen müssen, wo sie sind. Natürlich nach Europa.“ Das werde auch uns ältere Menschen noch betreffen.

„Jede Entscheidung, die wir weiter auf die lange Bank schieben, wird unfassbar teuer“, sagt er. Versicherer hätten das längst erkannt. „Das teuerste, was wir tun können, ist: nichts.“ Hirschhausen erzählt von einer ihn inspirierenden Begegnung mit der mittlerweile 89-jährigen Schimpansenforscherin Jane Goodall. Diese habe bei ihren Beobachtungen erkannt, dass wir Menschen nicht so besonders sind, wie wir denken. Ein großer Unterschied zum Schimpansen oder anderen Tieren immerhin sei: „Wir verabschieden uns. Und dass wir das tun, bedeutet: ich denke an die Zukunft. Und: Was möchte ich hinterlassen?“

Goodall habe gefragt: Wie kann das sein, dass wir Menschen so tun, als seien wir die intelligenteste Spezies auf diesem Planeten, aber wir zerstören unser eigenes Zuhause? Hirschhausen wird drastisch: „Wir kacken doch auch nicht unser eigenes Wohnzimmer.“ Er mahnt: „Wenn wir weiter die Atmosphäre als Müllkippe für gasförmigen Dreck missbrauchen, dann schnüren wir uns selbst die Luft ab.“

Er selbst sei kein Vegetarier, habe seinen Fleischkonsum angesichts der Klimagase und sonstigen Belastungen, zu dem die Nutztierhaltung führt, aber stark reduziert. Den Menschen müsse klar werden, was Fleischkonsum bedeute. „Wir tun alles, um die Folgen unseres Tuns nicht zu sehen.“ Seine Idee: An der Supermarktkasse sollte der Kunde für jedes Kilo Fleisch, das er kauft, verpflichtet werden, auch die „Nebenwirkungen“ mit nach Hause zu nehmen. Zum Beispiel in Gestalt eines Eimers mit 20 Liter Gülle.

Hirschhausen spricht frei, 90 Minuten lang, interviewt zwischendurch Menschen aus dem Publikum. Mit Humor transportiert er sehr viel Ernst. Früher hätten die Menschen immer gesagt: Unsere Kinder sollen es mal besser haben. Nun sei eine Generation am Ruder, die diesen Generationenvertrag nicht einhalte. Hirschhausen zeigt Beispiele, in denen Menschen aktiv werden, es gebe immer noch Hoffnung. „Am Ende fragt er, ob eine Schwangere im Publikum sei. Eine meldet sich. Er hat ein Geschenk für sie. Einen roten Babystrampler. Darauf der Satz: „Zum Lachen geboren.“