Kabarett „Man muss für die Absurdität Bilder finden“

Der Kabarettist Jürgen Becker tritt mit seinem Programm „Die Ursache liegt in der Zukunft“ in der Immanuelskirche in Oberbarmen auf. Im Vorfeld kam er zum Gespräch in die WZ.

Jürgen Becker tritt in der Immanuelskirche auf.

Foto: Roland Keusch

Er gehört zu den bekanntesten Kabarettisten Deutschlands, bringt zugleich eine hörbare Verortung im Rheinland mit: Jürgen Becker, Mitbegründer der Kölner Stunksitzung und langjähriger Moderator der Mitternachtsspitzen im WDR-Fernsehen. Am 12. März kommt er mit seinem Programm “Die Ursache liegt in der Zukunft“ in die Immanuelskirche in Oberbarmen. Im Gespräch mit der WZ spricht Becker über die Arbeit eines Kabarettisten in Kriegszeiten, warum Humor wichtig ist und wie es um die Wertschätzung der Kultur in der Pandemie steht – das alles auf seine unverkennbare und unterhaltsame Art.

Herr Becker, vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges: Ist es eine gute Zeit für Kabarettisten?

Jürgen Becker: Es ist schon verrückt, dass dieser geisteskranke Despot einen dazu bringt, dass man sich fast schon Lothar Wieler und Karl Lauterbach (und ihre Corona-Themen, Red.) zurückwünscht. Jetzt haben wir wirklich ein Aufregerthema, das ist natürlich schwer. Die Leute freuen sich auf jeden Fall, wenn sie lachen können. Man braucht das im Moment.

Thematisieren Sie den Krieg?

Becker: Ja, ein bisschen. Ich überlege mir, was da passiert ist.

Sie binden mit Humor schwierige Themen ein.

Becker: Man muss für die Absurdität Bilder finden. Das ist unsere Aufgabe.

Wie gehen Sie vor?

Becker: Man muss überlegen, wie das ist, welche Beispiele es gibt. Muss recherchieren. Die Holländer haben zum Beispiel im Ersten Weltkrieg mit Hilfe des Ingenieurs Lely über das Poldern viel Land gewonnen, ohne ein einziges Land zu überfallen.

Wie erschließen Sie sich diese Zusammenhänge?

Becker: Da gilt der Satz von Rudi Carrell, der gesagt hat, dass man nur das aus dem Ärmel schütteln kann, was man vorher reingetan hat.

Wie tun Sie es rein?

Becker: Viel lesen, recherchieren, diskutieren mit Leuten. Nach Bildern und Metaphern dafür suchen.

Welche Funktion hat Kabarett jetzt im Krieg?

Becker: Mann kann sich nicht andauernd die Nachrichten reinziehen. Dafür ist das Kabarett auch da. Dass man sich auch mit anderen Themen befasst und sich zerstreut.

Schreiben Sie Ihr Programm auf und lernen es auswendig?

Becker: Ja. Und Improvisation gehört auch dazu: Man muss es in den Ärmel reinstecken, es muss sich aber so anhören, als würde es einem gerade erst einfallen.

Ist Kabarettist Ihr Traumberuf?

Becker: Das ist schon ein schöner Beruf. Weil ich mich mit den Dingen beschäftigen kann, die mich interessieren, die ich recherchiere. Und dann ist da noch ein bisschen Predigt mit drin. Die Menschen aufklären. Das Kabarett ist dafür da, den Menschen Lust zu machen, sich in der Demokratie mit den Themen auseinanderzusetzen.

Gibt es Themen, die Sie nicht machen würden?

Becker: Ja, Naturkatastrophen, auch beim Krieg muss man aufpassen, Teilaspekte herausnehmen, wie jetzt zum Beispiel die Wehrpflicht, die hochgekommen ist, aber das Elend der Menschen kommt nicht drin vor. Oder körperliche Gebrechen. Religion wiederum eignet sich wegen ihres hohen Anspruchs und ihrer Fallhöhe sehr gut für Humor.

Um was geht es in Ihrem aktuellen Programm?

Becker: Wir müssen dafür sorgen, dass die jüngeren Generationen hier weiter leben können. Wie machen wir das. Das ist ein Teil meines Programms. Jetzt im Ukrainekrieg wird die Abkehr vom Gas und Öl forciert. Wir spüren, dass erneuerbare Energien auch Unabhängigkeit bedeuten. Es geht um Zukunftsängste. Das ist im Moment ja extrem, die Menschen merken, dass alle Sicherheiten ins Wanken kommen – nicht nur durch Krieg oder Corona. Wir wissen nicht, wie die Welt in zehn Jahren aussieht. Dabei ist die Zukunft immer ungewiss.

Wie arbeiten Sie lieber, im Studio oder vor Publikum?

Becker: Vor Publikum, weil dann der Resonanzboden da ist. Es macht Spaß damit umzugehen, wie die Leute reagieren.

Stichwort Publikum: Wie haben Sie die publikumsfreie Zeit in der Coronakrise erlebt?

Becker: Es geht auch ohne, wir wissen ja auch, warum es nicht da ist. Man freut sich total, wenn es wieder da ist. Menschen zum Lachen bringen, ist ja der Sinn der Sache. Das ist auch ein sehr schönes Geräusch. Und es ist echt.

 Hat die Wertschätzung der Kultur in der Coronakrise gelitten?

Becker: Ich glaube, wir kommen langfristig auf das Niveau zurück, das wir hatten. Die Gesellschaft ändert sich immer und die Kultur gehört dazu, ändert sich auch. Man kann ein Jahr mal nicht ins Kabarett oder Theater gehen, davon geht die Welt nicht unter. Aber langfristig ist das für eine Gesellschaft schlecht.