Vorhang auf Die Fledermaus als Boulevardtheater

Duisburg · Axel Köhler hat am Duisburger Haus der Deutschen Oper am Rhein die „Fledermaus“ aus aktualisierter Perspektive inszeniert. Musikalisch bleibt die Darstellung im soliden Rahmen. Eine Kritik.

Szenenbild: Anke Krabbe (Rosalinde) und Ovidiu Purcel (Alfred) in Axel Köhlers Inszenierung der Fledermaus von Johann Strauss (Sohn) .

Foto: Oper

Goldene Bilderrahmen sind aus der Mode geraten. Man findet sie zwar noch als liebgewonnene Reminiszenzen einer längst verloren gegangenen Zeit, als Erbstücke oder als ironisches postmodernes Accessoire. Ein derartiger Goldener Rahmen, der aus der Glanzzeit der Operette zu stammen scheint, umfasst die neue Inszenierung der wohl wienerischsten ihrer Gattung, der Fledermaus am Duisburger Haus der Deutschen Oper am Rhein. Ein Versprechen. Eine Verheißung auf ein wie auch immer geartetes Hinüberholen der Wiener Operettenwelt in das Heutige.

Operetten waren immer schon ein sonderbar Ding, mit ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten, mit einer in ihnen liegenden intrinsischen Brüchigkeit. Wie von süßem Gift getränkt versprechen sie weltvergessene Behaglichkeit, halten aber im Idealfall dem sich trefflichst amüsierenden Publikum einen zwar verzerrten aber umso trügerisch wahrhaftigen Spiegel vor. Die zuckersüße Mehlspeise hat vor allem auch bei der Fledermaus aus Johann Strauss’ (Sohn) und Richard Geneés’ Feder einen säuerlich fauligen Abgang. Harnoncourt soll einmal über sie gesagt haben: „Das ist Wien – Wien wie es riecht und stinkt“.

Kammerfrau oder Zofe?
Putzfrau und Putze!

Doch Regisseur Axel Köhler mit Ausstatter Frank Philipp Schlößmann möchten mit ihrer Version den Stoff ihres ursprünglichen Kontextes entheben. Das Sujet in das Heute transferieren, mitsamt dem überzeichnenden Hebel. Das führt dazu, dass die Überzeichnung aus der aktuellen Realität heraus geschehen muss, somit absurdere Züge für unsere heutigen Augen erhält, als eine ad absurdum geführte Wiener Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.

Dies gibt dem, was das Duisburger Publikum bei der Premiere ästhetisch erleben durfte, eine sonderbare Note. Vieles erinnert an heutiges Boulevardtheater, nicht zuletzt durch Modernisierungen der Dialoge. Diese machen auch vor in Musik gefasstem Text keinen Halt. So heißt es beispielsweise konsequent in den sich um „Adele“ drehende Passagen, statt „Kammerjungfer“ oder „Zofe“, „Putzfrau“ oder „Putze“. Darüber hinaus sind die Charaktere entsprechend angelegt. Diesen Eindruck verstärken sowohl die Kostüme als auch das Bühnenbild, das gerade im ersten Akt wie ein fehlgeleiteter Traum eines neureichen Millionärs anmutend, bewusst so geschmacklos als möglich ist.

Aber das gehört zum Konzept. Genauso wie das szenische Einflechten einer mit neuer Ebene versehenen Rahmenhandlung. Falke entpuppt sich als Spiritus Rector des gesamten zweiten Aktes, also des großen Festes beim Prinzen Orlofsky – wie zuvor schon bei seiner Inszenierung in Halle. Denn sowohl der „Prinz“ als auch die restliche Fest-Gesellschaft sind von Falke eingekaufte Marionetten seiner Revanche. Orlofsky ist eine Prostituierte, die Falke für die Rolle des Prinzen an einer Laterne aufgabelt, die Gesellschaft wiederum sind Insassen des Gefängnisses, in das Eisensteins Einzug droht. Das Fest selbst hat eine surreal-reale Tragik, aber auch herrliche Momente, wie etwa die zeitlupenhaften Bewegungen beim Finale, dem so zauberhaften „Brüderlein und Schwesterlein“. Alles erinnert stellenweise an eine Revue, die sich um eine Rakete – ja eine Rakete – dreht. Diese wird als großes Hobby des „Prinzen“ vorgestellt und soll im Laufe des Abends noch abheben, um im dritten Akt als bruchgelandetes Detail im Gefängnis aufzutauchen. Doch wirklich zur Geschichte trägt diese nette Idee nicht bei.

Anke Krabbes Rosalinde
hat stimmliches Gewicht

Köhler entzieht der Fledermaus den wienerischen Geschmack, daran ändert auch wenig, dass Frosch, robust gespielt von dem Österreicher Wolfgang Reinbacher, auch ein Wienerlied anstimmt. Jedoch gibt es bei dieser Inszenierung viel zu lachen. Dies liegt auch an der durchaus überzeugenden schauspielerischen Leistung des gesamten Ensembles. Musikalisch solide, aber einem nicht nachhaltig in Erinnerung bleibend, verkörpern Norbert Ernst den Eisenstein, Ovidiu Purcel mit gut sitzender Stimme den Alfred, Kay Stiefermann, Dr. Falke, Florian Simson den stotternden Advokaten Dr. Blind und Thorsten Grümbel den Gefängnisdirektor Frank.

Auf der Seite der Damen entzückt man auch mit schauspielerischem Esprit. Anke Krabbes Rosalinde hat stimmliches Gewicht, Kimberley Boettger-Soller bleibt als Orlofsky ein wenig zurückgenommen. Schauspielerisch hervorstechen kann Maria Perlt als Adele, doch tendiert ihre Stimme zu indifferenten Schärfen und einer, nennen wir es: Überdrehung.

Die Duisburger Philharmoniker und der Chor der Deutschen Oper am Rhein liefern unter Benjamin Reiners Dirigat auch mal musikalische Pointen, doch fehlt bisweilen die Leichtigkeit und hin und wieder auch eine eindeutige musikalische Zielrichtung. Doch trotzdem kann diese Inszenierung wohl einen Großteil des Publikums bestens unterhalten. Das schlug sich auch in dem beachtlichen Schlussapplaus nieder.