Drama-Serie über die Folgen eines Anschlags „Wenn die Stille einkehrt“ zeigt, was Terror anrichtet
KÖLN · „Wenn die Stille einkehrt“ ist eine exzellente dänische Drama-Serie über die Folgen eines Anschlags.
Stimmengewirr und Gesprächsfetzen in einem voll besetzten Restaurant in Kopenhagen: Freundinnen reden über Männer, ein Paar flirtet, einem kleinen Mädchen wird ein Geburtstagskuchen serviert. Ein Vater unterhält sich mit seinem Sohn über dessen Zukunftspläne. Dann wird alles anders, unvermittelt und schockartig: Ein Maskierter feuert in die Menge, eine Frau kippt getroffen vom Stuhl. Das Bild wird ausgeblendet, aber die Tonspur mit den Schüssen und Schreien ist noch zu hören. Die ersten Sekunden der dänischen Serie „Wenn die Stille einkehrt“ erinnern an die islamistischen Anschläge im November 2015 in Paris, als Attentäter ebenfalls wahllos auf Gäste in Bars und Restaurants feuerten, zeitgleich zu den Anschlägen auf das Bataclan-Theater und das Stade de France.
Doch der Eindruck täuscht: Die von zwei Drehbuchautorinnen (Ida Maria Rydén, Dorte W. Høgh) geschriebene zehnteilige Serie setzt nicht auf Krimi-Spannung wie „Kommissarin Lund“ und bietet kein Terror-Action-Spektakel wie „Countdown Copenhagen“. Die Polizei-Ermittlungen spielen nur eine Nebenrolle. Auch die Täter und deren Motive nehmen am Ende nur den nötigsten Raum ein. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die individuellen Geschichten der Zufalls-Opfer sowie anderer Menschen, die auf unterschiedliche Weise in die Ereignisse verwickelt sind. Und deren Leben nun auf einen Schlag neue Wendungen nimmt. Wie umgehen mit Angst, Trauer und Wut? Wie dringt die existenzielle Erfahrung eines Anschlags in den Alltag ein? Oder, grob vereinfacht: Was macht der Terror mit der Gesellschaft?
Aus Dänemark mit seinem vergleichsweise kleinen Fernseh- und Filmmarkt kam in den vergangenen Jahren eine beachtliche Zahl international erfolgreicher Serien wie „Borgen“, „Die Wege des Herrn“ oder „Die Erbschaft“. An diese Tradition knüpft der Nachbar im Norden erneut an. Denn wie differenziert, teils überraschend und zugleich spannend menschliche Dramen in einem Serien-Format entwickelt werden können, beweist auch „Wenn die Stille einkehrt“. Wobei dem Publikum in den ersten drei, vier Folgen durchaus Geduld abverlangt wird, denn die Autorinnen nehmen sich Zeit, die Figuren sorgfältig zu entwickeln, springen in der Erzählung erst neun, dann sechs, dann drei und schließlich einen Tag zurück.
Zu den wichtigsten Protagonisten gehört eine junge Obdachlose, die zu einer Zeugin des Anschlags wird. Als Erster stürmt jedoch ein Nachbar in das verwüstete Restaurant voller Leichen und Verletzter: Der Installateur ist auf der Suche nach seinem Sohn, den er dazu genötigt hatte, an diesem Abend die beiden gestohlenen Bierfässer zurückzubringen.
Und dann ist da noch der unglückselige junge Palästinenser, der von seinem älteren Bruder tyrannisiert wird und sich immer tiefer in die Ereignisse verstrickt. Nach dem Attentat ringen alle Überlebenden mit dem individuell ganz unterschiedlich erlebten Schrecken. Die Ministerin (eindrucksvoll: Karen-Lise Mynster) appelliert bei der Trauerrede an den Zusammenhalt („Ein ,Die‘ und ,Wir‘ gibt es nicht. Sondern nur ein ,Wir‘“) und denkt doch über Folter und eine Kehrtwende in der Asylpolitik nach. Aber es entstehen auch neue, ungewöhnliche Allianzen, und Menschen, in ihren Grundfesten erschüttert, wagen einen Neuanfang und entscheiden sich für ein „Wir“.
„Wenn die Stille einkehrt“, Arte, 29. Juli, ab 22 Uhr; 5. August, 21.50 Uhr; jeweils 5 Teile; online bis 3. Oktober verfügbar