Festspielwürdige Premium-Qualität Elektras Rückkehr in Salzburg gefeiert
Salzburg · Die zweite große Opernpremiere mit „Elektra“ von Richard Strauss - mit fiebernder, manchmal rauschhafter Intensität und präziser Eleganz musiziert von den Wiener Philharmonikern.
Nach dem obligatorischen, „Jedermann“, einer spektakulären Bilderflut zu Mozarts „Don Giovanni“ und einem Shakespeare-Pastiche über mordende Könige „Richard the Kid & the King“ folgte jetzt die zweite große Opernpremiere mit „Elektra“ von Richard Strauss. In fiebernder, manchmal rauschhafter Intensität und mit präziser Eleganz musiziert von den Wiener Philharmonikern unter Strauss-Spezialist Franz Welser-Möst. Das Libretto stammt von Hugo von Hofmannsthal, der mit dem „Rosenkavalier“-Komponisten Strauss 1920 gemeinsam die Salzburger Festspiele aus der Taufe hob – als damals neuartiges Welttheater. Seitdem, spätestens seit der Nachkriegszeit, schaut die Welt, – zumindest diejenigen, die sich vorrangig für Oper, Theater und Konzert interessieren – im Sommer nach Salzburg.
Und diese „Elektra“-Inszenierung des 2021er Biennale-Preisträger Krzysztof Warlikowski bietet in jeder dieser Sparten festspielwürdige Premium-Qualität. Zunächst machen die Wiener Philharmoniker, die immer noch zu den besten Orchestern der Welt zählen, in diesem pausenlosen 100-Minuten-Werk in Größt-Besetzung nur zu gerne Gebrauch von ihrer luxuriösen Wucht und ihrem präzisen Feinschliff an den leisesten Stellen. Und unterstreichen so den streckenweise überbordenden Psycho-Wahn der Königstochter Elektra und die Sucht nach Blutrache, die in diesem mythologischen Werk stecken.
Großes, jedoch modernes Theater bieten die Sänger-Darsteller – allen voran die litauische hochdramatische Sopranistin Ausrine Stundyte in der Titelrolle und Vida Mikneviciuté als jüngere Schwester Chrysothemis. Beide schwören Rache an dem Mord ihres Vaters Agamemnon durch ihre Mutter Klytämnestra und deren Geliebten Ägisth. Sie steigern die Seelenkämpfe und Gemüts-Verdrehungen der Figuren bis in extreme Stimmhöhen, schonen sich (und auch die Ohren des Publikums) nicht. Genauso wenig wie Tanja Maria Baumgartner, die als von bösen Träumen heimgesuchte und geplagte Klytämnestra ebenso fesselt. Für sie alle ist Rampensingen tabu; im Gegenteil sie werfen sich ohne Sicherheitsgurt in ihre Rollen, füllen selbst mit kleinen Gesten die Riesenbühne der Felsenreitschule, die bei der stürmisch gefeierten Premiere mit knapp 1800 Zuschauern (wie in allen Festspiel-Vorstellungen mit FFP-2-Masken) beinah voll besetzt war.
Das antike Mythendrama wird in die heutige Welt verlegt
Der europaweit im Schauspiel- und Opern-Betrieb gefragte Regisseur Warlikowski und seine Ausstatterin Malgorzata Szczesniak (Bühne und Kostüme) verlegen das antike Mythendrama in heutige Welt. Eine Tyrannen-Dynastie residiert abgeschirmt in einem rötlich schimmernden Quader aus Sicherheitsglas; denn durch ihr blutiges Regiment müssen sie jederzeit mit einem Anschlag rechnen. Draußen ein länglicher Swimming-Pool, in dem zunächst kleine Kinder plantschen. Klytämnestra und Ägisth (heller, durchschlagender Tenor: Michael Laurenz) sind kalt vor Angst, sie und ihre Mägde wittern in jedem schmeichelnden Wort ihrer feindlich gesonnenen Tochter Elektra eine Falschheit und fürchten die Rache durch Elektras Bruder Orest, den sie tot glauben.
Doch als Orest (gesungen vom kantigen, kernig sachlichen Bariton Christopher Maltman) unerkannt den Palasthof betritt und sich in einer aufwühlenden Psycho-Szene der verstörten und sich in Krämpfen windenden Elektra zu erkennen gibt, wird der Rache-Mord an der Mutter und ihrem Liebhaber geplant. Und eiskalt durch Heimkehrer Orest durchgeführt. Der Mythologie entsprechend wird er danach durch die Rache-Göttinnen heimgesucht – bildgewaltig umgesetzt durch einen wandfüllenden Blutfleck, der in einem bildgewaltigen Video (Kamil Polak) durch einen immer größer werdenden Insektenschwarm aufgesogen wird. Elektra indes verliert nach einem Totentanz die letzte Lebenskraft.
Nicht nur dem Komponisten, sondern auch dem Dichter hätte dieses Gesamtkunstwerk gefallen. Stichwort Hugo von Hofmannsthal: Eine Rarität aus der Feder des Festspielgründers steht ab 7. August auf dem Festspiel-Programm. „Das Bergwerk zu Falun“ – das auf einer wahren Begebenheit beruht. 1677 verunglückt ein Bergmann kurz vor seinem Hochzeitstag tödlich im schwedischen Falun. 50 Jahre später wird sein Leichnam unverwest gefunden und von seiner greisen Frau identifiziert. Ein Theaterstück, in dem Hofmannsthal Elemente der Romantik und der der Psychoanalyse verwebt. Eine der Hauptrollen in der Inszenierung von Jossi Wieler spielt Lea Ruckpaul – eine der wandlungsfähigsten, jüngeren Darstellerinnen des Ensembles des Düsseldorfer Schauspielhauses.
Elektra, Salzburger Festspiele, 3Sat, 21. August, 20.15 Uhr