Ein Bauhaus auf dem Acker
Ein Krefelder Verein will einen nie realisierten Entwurf von Mies van der Rohe als begehbares Modell aus Stahl bauen.
Krefeld. Nirgendwo sonst in Europa sind so viele Bauten des Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) an einem Ort errichtet worden und erhalten geblieben wie in Krefeld. Die Häuser Esters und Lange, ursprünglich von Seidenfabrikanten als Wohnhäuser, inzwischen als Museen genutzt, kennt man weltweit.
In Krefeld steht auch das einzige von Mies geplante Industriegebäude, die Vereinigten Seidenwebereien. Nun soll ein vierter Bau hinzukommen — für eine Weile wenigstens: Von Mai bis Oktober 2012 soll ein begehbares Modell eines nie verwirklichten Clubhauses im Maßstab 1 : 1, also in Lebensgröße, öffentlich ausgestellt werden.
Mit diesem Paukenschlag tritt der im Dezember gegründete Verein „Projekt MIK — Mies in Krefeld“ erstmals an die Öffentlichkeit. Ziel des Vereins ist es, dessen „Krefelder Erbe“ auch „für die Zukunft nutzbar“ zu machen. Der erste Schritt dazu ist ein vom Architektur-Star 1930 entworfenes Golfclubhaus als Modell genau dort hinzusetzen, wo es ursprünglich stehen sollte.
Auf dem Krefelder Egelsberg befand sich von 1930 bis 1938 der Golfclub. Heute wird an dem Sandhügel ein Flugplatz für Segelflieger betrieben. Im Nordosten des Geländes wird der renommierte Genter Architekt Paul Robbrecht aus Sperrholz und Stahl das Modell des Golfclubhauses auf dem Acker bauen.
Vorsitzende des Vereins ist Christiane Lange, Kunsthistorikerin und Urenkelin von Hermann Lange, dem Bauherren von Haus Lange. Die Idee zum Modell hatte sie gemeinsam mit dem Krefelder Filmproduzenten Mic Thiemann.
Drei Projekte von Mies für Krefeld wurden nicht realisiert, dazu gehört das Clubhaus. Der Golfclub hatte für den Bau einen Wettbewerb ausgeschrieben. Neben Mies hatte sich der Architekt August Biebricher, wie Mies Mitglied im Werkbund, beworben. Zum Bau kam es 1930 dann nicht, weil das Geld fehlte.
Vom Entwurf sind ein Grundriss und Skizzen erhalten, die im Mies-Archiv des New Yorker Museum of Modern Art lagern. Eine Detailplanung gibt es nicht. Das heißt, man weiß zwar, wo sich etwa die Türen befunden hätten, aber nicht, aus welchem Material sie gefertigt worden wären. Robbrecht spricht von einer „Interpretation der Skizzen“.
Das eingeschossige Gebäude ist in Kreuzform angelegt, die je 80 Meter langen Achsen sollen sich an den Himmelsrichtungen orientieren. Das auf eine Kuppe gebaute Modell wird punktuell verankert, damit es in der exponierten Lage standfest ist. 500 000 Euro soll das Projekt kosten, 60 Prozent davon hat der Verein durch Spenden beisammen.
Der Acker dazu ist von einem Bauern gemietet, die Krefelder Baugenehmigung liegt vor, nur die Zustimmung der Landesregierung steht noch aus. Das ist nötig, weil das Modell in einem Landschaftsschutzgebiet stehen wird. Robbrecht schwärmt, dass sich die von Mies geschätzte Verschränkung von Innen und Außen, Architektur und Landschaft hier beispielhaft zeigen werde. Die Initiatoren rechnen mit Besuchern aus aller Welt.