Bleibtreu dreht gern mit Fatih Akin

Sein neuer Genrefilm „Chiko“ erzählt von einem Gangster.

Düsseldorf. Herr Bleibtreu, kurz bevor der Film auf der Berlinale Premiere feierte, thematisierte Roland Koch für seinen Wahlkampf in Hessen noch einmal das Thema Jugend- und Ausländerkriminalität

Moritz Bleibtreu: Die Wahrheit ist, wir haben Koch bestochen, wegen der PR (lacht). Nein, ernsthaft. Es ist einfach schade, denn unser Film ist nicht sozialkritisch. Er erzählt nur eine Geschichte über Jugendliche in der sozialen Unterschicht aus der Perspektive eines türkischstämmigen Regisseurs, Özgür Yildirim.

Der Film schildert aber genau diese Themen auf sehr drastische Weise. Trotzdem ist er nicht sozialkritisch gemeint?

Moschitto: Nein, "Chiko" ist ein Genrefilm, der die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Gangsters erzählt. Natürlich hat er eine gewisse Moral. Es geht aber nicht in erster Linie um Jugendliche mit Migrationshintergrund.

Man fragt sich während des gesamten Films, warum die Jugendlichen nicht miteinander sprechen, sondern direkt schlagen oder ballern.

Bleibtreu: Ich denke, dass wir auf eine Zeit zuschlittern, in der bestimmte Bevölkerungsschichten einfach nichts mehr haben, ihnen auf der anderen Seite aber suggeriert wird, dass es wieder cool ist, hemmungslos rumzuprotzen. Und wenn junge Menschen in einer Gegend groß werden, in der es keine Vorbilder gibt wie Juristen, Ärzte oder Börsenmakler, dann orientieren sie sich an denen, die in diesem Viertel mächtig sind. Solche falschen Vorbilder sind Typen wie Brownie, den ich in "Chiko" spiele.

Sie sind in Hamburg-St. Georg aufgewachsen, einem Stadtteil, der damals als hartes Pflaster galt. Kannten Sie solche Typen?

Bleibtreu: Es gab zwei Sorten. Zum einen die Brecher, brutale, angsteinflößende Kerle. Die waren aber oft nach zwei Jahren nicht mehr da, im Knast, verschollen oder ausgewiesen. Auf der anderen Seite gab’s aber auch immer die, die im Café hinten in der Ecke ganz unscheinbar ihren Kaffee getrunken haben und die Gewalt der anderen für sich instrumentalisierten. Genau so eine manipulative Figur wollten wir mit Brownie darstellen.

Angenehm an "Chiko" ist die authentische Atmosphäre. In anderen Filmen rutscht die Schilderung solcher Problemviertel rasch in peinlichen Sozialkitsch ab.

Bleibtreu: Das liegt daran, dass unser Regisseur und unser Produzent Fatih Akin sich mit solchen Milieus auskennen. Ich denke auch, dass der deutsche Film hier auf einem guten Weg ist. Im deutschen Fernsehen allerdings ist beispielsweise die türkische Realität noch nicht angekommen. Sobald irgendein Türke auftaucht, muss er verheiratet werden, oder die Eltern haben eine Dönerbude. Das nervt.

Bleibtreu: Fatih ist ein sehr harmoniebedürftiger Mensch, der Wert auf die Meinung anderer legt und auch gut loslassen kann. Das unterscheidet ihn von Fassbinder wohl stark, nach allem, was ich gehört habe. Aber was die Familienbildung betrifft, ist Fatihs Produktionsfirma, die Corazón, ein Laden, der versucht, immer mit denselben Leuten zusammenzuarbeiten, nach dem Motto: Never change a winning team. Für mich ist das ein Glücksfall.