"Shine a light": Keith Richards’ Musikgier

Interview: Scorseses Film „Shine A Light“ über die Rolling Stones kommt morgen in die Kinos.

Mister Richards, Filme über die Rolling Stones gibt es schon viele. Warum nun "Shine A Light"?

Richards: Ich war ja auch erst mal skeptisch! Mick fragte uns: "Was haltet Ihr davon, einen Film zu drehen, der die Stones bei einem Konzert zeigt?" Wir antworteten wenig begeistert: "Was, schon wieder?" Aber dann sagte Mick: "Diesmal würde Martin Scorsese ihn drehen!" Sofort riefen wir einstimmig: "Okay!"

Was macht die Arbeit mit Scorsese so außergewöhnlich?

Richards: Es ist schon dieser magische Name - Scorsese... Und wenn er einen Film mit dir oder über Dich machen will, dann kannst Du davon ausgehen, dass ihm das am Herzen liegt. Er sagt Dir vielleicht nicht, warum - aber er hat was Besonderes vor. Er hat eine irre gute Crew. Ich glaube, es waren fünfzehn Kameras auf der Bühne - und ich habe keine einzige gesehen!

Ist das Resultat befriedigend?

Richards: Irgendwann begriff ich: Marty wollte keinen Film drehen, sondern die Rolling-Stones-Show. Und das können wir! Solange wir nicht über die Kameras stolperten und irgendwelche Make-up-Leute uns zwischen den Songs mit ihrer Puderquaste durchs Gesicht fahren, war das eine einfache Übung!

Was beeindruckt Sie am meisten an Scorsese?

Richards: Seine unglaubliche Energie! Marty jongliert mit den Dingen, ich glaube, zurzeit arbeitet er an vier, fünf Filmen gleichzeitig. Zu den Stones hat er eine seltsame symbiotische Beziehung aufgebaut. Der Soundtrack von "Mean Streets" von 1973 besteht eigentlich nur aus unseren Songs.

Wie schaffen Sie es, im Alter von über 60 Jahren und nach 40 Jahren in diesem Job noch solche Konzerte oder Tourneen zu stemmen?

Richards: Ja, es ist ein seltsames Leben - aber es ist ein Leben!

Mögen Sie das, was Sie machen, immer noch?

Richards: Oh ja. Und ich finde, wir sind besser als je zuvor.

Warum?

Richards: Weil die Band immer mehr zusammen wächst, Baby! Es macht einfach einen Riesenspaß, zusammen zu spielen. Du kannst das nicht so lange machen, wenn Du das nicht wirklich innig liebst. Und wenn Du die Jungs, mit denen Du spielst, nicht wirklich liebst. So einfach ist das.

Bei jeder Tournee -heißt es: "Das ist das letzte Mal." Wann kommt denn die wirklich letzte?

Richards: Die letzte? Von so etwas reden nur andere, nicht wir! Wir selbst haben uns keine Grenze gesetzt. Wir können immer auftreten. Aber sich von dem Leben auf Tour zu lösen, das ist schwer! Das dauert drei, vier Monate. Du denkst dir erst: "Cool, die Tour ist vorbei!" Aber dann wachst Du morgens auf und fragst Dich: "Spiele ich heute? Fliege ich heute? Wo bin ich überhaupt?" Das geht Monate so! Das ist wie ein Entzug - wie kalter Entzug sogar! - von der Droge Adrenalin.

Sie haben mittlerweile einen viel beachteten Filmauftritt hinter sich. Wie kam es, dass Sie Johnny Depps Vater im dritten Teil von "Fluch der Karibik" spielten?

Richards: Ich kannte Johnny ja schon seit vielen Jahren, er ist ein Freund meines Sohnes Marlon. Als wir uns irgendwann mal besser kennen lernten, wollten wir auch mal etwas zusammen machen. Also sagte ich: "Dann schreib’ mir ‚ne Rolle in ein Skript!" (lacht heiser) Ich selbst hätte mir nie vorstellen können, dass ich ausgerechnet mal für Disney arbeiten würde. Aber das Leben geht seltsame Wege!

Gefiel es Ihnen, bei solch einem Mammutfilm mitzumischen?

Richards: Ich wurde berühmt dafür, alles in zwei Takes zu schaffen. Johnny sagte: "Versteh’ ich nicht, ich muss immer siebzehn machen..." Das Set war unglaublich, mit einem Schiff, das kielüber stand, mit fantastischen Schauspielern, tollen Rollen. Der Regisseur sagte: "Sei einfach so, wie Du bist, das reicht völlig!"

Sie sehen auch bei Ihren Konzerten wie ein Pirat...

Richards: Na, was meinen Sie, wo Johnny das her hat? (lacht)

Und wo haben Sie das her?

Richards: Das ist original! Es ist eine Mischung von Robert Louis Stevensons "Die Schatzinsel", eine Prise von der Piratenlegende Blackbeard und viel von mir! Ich mochte z.B. immer Totenköpfe, irgendwie faszinieren die mich.

Sie gehören zu den alten, weisen Männern im Rock ’n’ Roll. Was würden Sie jüngeren Künstlern wie Amy Winehouse raten?

Richards: Aus mir spricht doch nur ein Musiker und Songwriter - ein Troubadour, wenn Sie wollen! Dieses ganze Spiel besteht nur aus Weiterreichen: Was ich kann, haben andere mich gelehrt. Wenn die Jungen etwas von mir nehmen, habe ich’s gut gemacht!

Wer waren Ihre Meister? Leute wie Chuck Berry?

"ShineALight" Mit ihm wurde dieses Jahr die Berlinale eröffnet, und die Rolling Stones waren ihre Superstars. Auch nach 40 Jahren ist die Faszination der vier Rock-Legenden ungebrochen. Mit einer halben Stunde Verspätung, aber vergnügt erscheint Keith Richards zum Interview im Berliner Hotel Regent, in dem es von nervösen PR-Leuten und muskulösen Security-Männern nur so wimmelt. Gegen sie wirkt Keith in seiner Ledermontur geradezu winzig. Bis er zu reden beginnt: Seine Stimme klingt beeindruckend verraucht und versoffen, nach Exzessen von Tabak und Whisky - so klingt wohl echter Rock ’n’ Roll.