Geschichte eines Massakers

Andrzej Wajda thematisiert in seinem Film „Katyn“ den Mord an 22 000 polnischen Soldaten, der den Deutschen zugeschrieben wurde und lange Zeit tabu war.

<strong>Düsseldorf. Das Sterben bleibt stumm, das Morden präzise. Die hintere Klappe des Lastwagens geht hoch, ein Mann wird herausgeführt, direkt zur Grube. Dort wird ihm die Pistole an den Hinterkopf gehalten, abgedrückt. Der leblose Körper fällt in die Grube. Der nächste. Die quälend lange Schlussszene gehört zu den eindrucksvollsten von "Katyn". Der polnische Altmeister Andrzej Wajda hat sich als erster Filmemacher dem Thema Katyn und dem Massaker gewidmet, bei dem 1940 über 22 000 polnische Soldaten, Offiziere und Intellektuelle ermordet wurden. Am Dienstag lief der Film nun erstmals in einem deutschen Kino, nachdem er bei der Berlinale im Februar im Beisein von Angela Merkel seine Deutschlandpremiere feierte.

Das Polnische Institut und die Filmstiftung NRW hatten zur Preview ins Düsseldorfer Cinema geladen. Der Film sei ein Stück Filmgeschichte, aber auch ein Stück europäischer Geschichte, sagte Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung. Wajda zeige, wie jahrzehntelang ein Volk zum Schweigen gebracht wurde. Selbst das polnische Fernsehen war angereist, um über diesen Kinoabend zu berichten.

In Polen wurde der Film bereits im Herbst in den Kinos gezeigt, für viele polnische Schüler ein Pflichtprogramm. Zu lange hat man über dieses Thema geschwiegen. Denn das Massaker von Katyn, einem Dorf nahe Smolensk in Russland, und seine Verarbeitung gehören zu den düsteren Kapiteln in der polnischen Geschichte und zeigen beispielhaft die Zerrissenheit des Landes zwischen seinen Nachbarn Deutschland und Russland.

So erfuhren auch Schüler im Ostblock nichts über das Gemetzel. Selbst im Geschichtsunterricht der DDR wurden die Morde der Wehrmacht angelastet. Erst 1990 gestand Michail Gorbatschow als Staats- und Parteichef die sowjetische Schuld für das Massaker von Katyn ein. Trotzdem wird sie in Russland noch von vielen bezweifelt, und die Täter bleiben bis heute unbestraft.

Andrzej Wajdas Film arbeitet nun erstmals diesen entsetzlichen Vorfall auf - auch aus einem privaten Anliegen heraus: Sein Vater starb in Katyn. Der damals 13-Jährige blieb mit seiner Mutter zurück. Im Film stehen deshalb die Hinterbliebenen im Fokus, die Ehefrauen, Mütter und Kinder. Angespannt lauschen sie den Namen der Toten, die öffentlich in Krakau verlesen werden, hoffen und bangen.

Beispielhaft zeigt der Regisseur verschiedene Generationen einer Familie, die die unterschiedlichen Auswirkungen des Massakers zu spüren bekommen. Das wirkt alles etwas konstruiert und verhindert, dass man eine klare Identifikationsfigur bekommt. So bleibt "Katyn" jedoch, trotz mancher pathetischer Momente, relativ unsentimental.

VITA Andrzej Wajda wurde am 6. März 1926 in Suwalki, Polen, geboren und gilt als einer der bedeutendsten polnischen Filmregisseure.

FILME Er setzte sich häufig mit polnischer Geschichte auseinander, etwa in "Der Kanal" oder "Der Mann aus Eisen", wofür er die Goldene Palme in Cannes gewann. Im Lauf seiner Karriere bekam er alle wichtigen europäischen Filmpreise, zuletzt 2006 den Goldenen Ehrenbären der Berlinale. "Katyn" war für den Auslandsoscar nominiert.