Deutsche Gegensätze auf der 61. Berlinale
Deutsche Regisseure haben am Samstag das Programm der Berlinale bestimmt: Ulrich Köhler zeigte „Schlafkrankheit“, Yasemin Samdereli „Almanya - Willkommen in Deutschland“ - zwei völlig unterschiedliche Spielarten des deutschen Kinos.
Berlin (dpa) - Mit Ulrich Köhlers Entwicklungshelfer-Drama „Schlafkrankheit“ ist am Samstag der erste deutsche Beitrag im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb gestartet. Außer Konkurrenz zeigten Yasemin Samdereli (Drehbuch, Regie) und ihre Schwester Nesrin (Drehbuch) die Einwanderer-Komödie „Almanya - Willkommen in Deutschland“.
Während „Schlafkrankheit“ in einer Pressevorstellung vom Kritiker-Publikum eher zurückhaltend aufgenommen wurde, gab es für „Almanya - Willkommen in Deutschland“ viel Applaus.
Köhler („Montag kommen die Fenster“) erzählt in „Schlafkrankheit“ von dem niederländischen Arzt Ebbo (Pierre Bokma), der seit fast 20 Jahren mit seiner Frau Vera (Jenny Schily) als Entwicklungshelfer in Afrika lebt und ein Projekt zur Erforschung der Schlafkrankheit leitet. Als Vera zunehmend unter der Trennung von der 14-jährigen, in Deutschland im Internat lebenden Tochter leidet, muss sich Ebbo entscheiden.
Jahre später reist Alex (Jean-Christophe Folly), ein französischer Arzt mit kongolesischen Wurzeln, nach Kamerun und trifft auf Ebbo - einen zwischen zwei Welten zerrissenen Menschen. Regisseur Köhler verbrachte seine Kindheit teilweise in Zaire, seine Eltern waren Entwicklungshelfer.
„Ich kenne die Welt, über die ich rede“, sagte Köhler im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Aber: Ich erzähle nicht von meiner Familie. Ich weiß, was die Arbeit eines Entwicklungshelfers in Afrika ist, und ich habe Menschen kennengelernt, deren Leben sicher Einfluss auf die Erzählung hatte. Doch der Film ist keinesfalls autobiografisch.“
Köhler zeigt den Zwiespalt der Entwicklungshelfer, die immer fremd in dem Land bleiben, dessen Menschen sie helfen. Dabei häuft der Film aber zahlreiche Klischees an: die sexuelle Ausbeutung von Afrikanerinnen durch Europäer, das Misstrauen der Ausländer gegenüber den angeblich faulen und betrügenden Einheimischen und die Veruntreuung von Geld aus der Entwicklungshilfe.
„Ich denke, viele Klischees haben eine reelle Basis. Man kann das nicht ignorieren. Aber natürlich hoffe ich, dass der Film ein komplexeres Bild zeichnet“, sagte Köhler. „Wichtig ist: Ich will kein moralisches Urteil abgeben. Ich zeige die Umstände lediglich so, wie sie sind.“ Der Film wurde in Kamerun gedreht.
Außer Konkurrenz lief die turbulente Einwanderer-Komödie „Almanya - Willkommen in Deutschland“. Die aus Dortmund stammende Regisseurin Samdereli erzählt über den Zeitraum von 45 Jahren von der Familie Yilmaz. Vater Hüseyin war 1964 als der Eine-Million-und-Erste Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und holte später seine Frau und Kinder nach.
Der biografisch inspirierte Film zeigt mit klugem Witz und voller Gefühl das Aufeinandertreffen zweier Kulturen. Die Samdereli-Schwestern spielen dabei lustvoll und gekonnt mit gängigen Stereotypen und Vorurteilen. Über drei Generationen hinweg wird auch eine Antwort auf die Frage gesucht: Was ist Heimat? „Almanya - Willkommen in Deutschland“ ist ein Film, der einen ganz eigenständigen Beitrag zur Integrationsdebatte leisten kann.
Im Rennen um den Goldenen Bären ist neben „Schlafkrankheit“ ein zweiter Film aus Deutschland: Dokumentarfilmer Andres Veiel („Black Box BRD“) zeigt am Donnerstag „Wer wenn nicht wir“ über die Vorgeschichte der RAF und die Liebe zwischen dem Schriftsteller Bernward Vesper und der späteren RAF-Terroristin Gudrun Ensslin. Um die Berlinale-Trophäen konkurrieren in diesem Jahr 16 Filme aus aller Welt.