Die Lust am Weltuntergang
Faszination Endzeit: Was treibt die Menschheit dazu, im Kino ihr eigenes Ende zu feiern?
Düsseldorf. Der Weltuntergang hat wieder einmal ein Datum: der 21. Dezember 2012, so soll es ein jetzt gefundener Maya-Kalender versprechen. Und auch der Vollzug liegt in bewährten Händen: Mit "Independence Day", "Godzilla" und "The Day After Tomorrow" hatte der schwäbische Hollywood-Regisseur Roland Emmerich schon eine Reihe kleinerer Weltuntergänge so erfolgreich in Szene gesetzt, dass ihm der Ehrentitel "Master of Desaster" verliehen wurde.
Der Weltuntergang ist seine Königsdisziplin, und sein heute anlaufender Film "2012" schlägt alles. In knapp drei Stunden geht die Welt zugrunde, und das bewährte Zusammenspiel von Klimakatastrophe, religiösen Zitaten und Pyrotechnik wird ihm wieder mehr Geld einspielen, als er bis 2012 sinnvoll wird ausgeben können.
Was aber treibt eine Menschheit in Massen ins Kino, um bei Popcorn und Cola ihren eigenen Untergang zu feiern? Im Wissen doch, dass sich unsere Welt trotz aller Mängel als erstaunlich stabil erwiesen hat, und im begründeten Vertrauen, dass das auch so bleibt.
Was sind die Tröstungen einer Wissenschaft, die nur einen kahlen Himmel bietet, fragte schon Karl Kraus vor 100 Jahren. Mit dem Verlust der religiösen Überzeugungen ist eine Leerstelle entstanden, an deren Platz seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts die "Klimakatastrophe", ironischerweise selbst ein Kind der Wissenschaft, getreten ist.
Eine Art Ersatzreligion, die die Erbsünde durch den Frevel an der Natur ersetzt, und der Vollzug der Strafe wird nicht mehr einem zürnenden Gott überantwortet, sondern der Erde selbst, die sich bei Emmerich dann einer alten vulkanischen Verpflichtung erinnert.
Anders aber als in der Offenbarung des Johannes, der Urmutter aller Apokalypsen, ist der Untergang in unserer säkularisierten Welt nicht mehr mit einem Heils- oder Erlösungsversprechen verbunden. Es geht nur noch ums nackte Überleben. Und es sind nicht mehr die "Gerechten", sondern die Mächtigen und Reichen, die sich für eine Milliarde Dollar pro Person auf die chinesischen High-Tech-Archen retten dürfen, während die restlichen sechs Milliarden Menschen im Höllenschlund verschwinden.
Auch das ist eine Art pervertiertes Jüngstes Gericht, das anders als sein biblisches Vorbild einer neoliberalen Logik folgt. Wir sitzen im Kino, nehmen es nicht ernst, aber irgendwie sehen wir doch unsere Erfahrung bestätigt. Es ist wohl diese Mischung aus kruder Wissenschaft, religiösen Restbeständen und billiger Gesellschaftskritik, die uns dazu bringt, unseren eigenen Untergang mit wohligem Schauer zu verfolgen.
Welche Blüten eine derartige Endzeiterwartung treibt, zeigt jetzt die US-Weltraumbehörde Nasa. Nachdem sich im Internet immer mehr Foren breitmachen, die die Maya-Prophezeiung für bare Münze nehmen, veröffentlichte die Nasa nun eine offizielle Erklärung, dass es weder für die Überhitzung des Erdkerns noch für die angekündigte Planeten-Kollision eine wissenschaftliche Grundlage gebe. Aber was ist eine langweilige Wahrheit gegen eine gut inszenierte Erfindung?
Die Ironie will, dass Emmerichs 200-Millionen-Dollar-Film ja selbst diese dividendenreiche Verbindung von Kapital und Zerstörung ist, die, glaubt man seiner Botschaft, Grund und Rechtfertigung des Untergangs ist. Sogar für den Fall, dass es trotz mehrtausendjähriger Erwartung doch wieder nichts mit dem Weltuntergang werden sollte, hat Emmerich vorgesorgt: Schon wird eine TV-Serie vorbereitet, die dann "2013" heißen und den Wiederaufbau der Zivilisation durch die Überlebenden zeigen soll. Bis zum nächsten Emmerich, sorry, Weltuntergang natürlich. Und wir sollten ehrlich sein: Auch den wollen wir auf gar keinen Fall verpassen.