Endzeit als großes Spektakel
In „2012“ löst eine Sonneneruption eine tödliche Kettenreaktion aus – opulent animiertes Effektkino.
Nein, diesmal sind es nicht nur New York und ein paar andere repräsentative Metropolen, die die Apokalypse heimsucht. Und es wird auch keine kollektiven Rückzugsmöglichkeiten geben, in die sich retten kann, wer schnell genug reagiert.
Denn gegen das, was Roland Emmerich, Deutschlands lukrativster Hollywood-Export, sich diesmal ausgedacht hat, waren die Alien-Invasion ("Independence Day", 1996), das wolkenkratzerhohe Japan-Monster ("Godzilla", 1998) und die Klimakatastrophe ("The Day After Tomorrow", 2004) nur flauschiges Survivaltraining mit anschließender Club-Med-Entspannung.
Diesmal geht die Welt unter, und zwar mit Karacho. Nichts bleibt dort, wo es hingehört. Zeitzonen verschieben sich, Tsunamis schwappen bis in Himalayatäler, Erdplatten zermalmen sich gegenseitig und verschlucken dabei sämtliche Zivilisationen, die sich auf ihnen angesiedelt haben.
Loser Anknüpfungspunkt für dieses Endzeit-Epos ist die wahrsagerische Legende, dass der Maya-Kalender den Weltuntergang auf den 21. Dezember 2012 datiert. Seriöse Wissenschaftler finden für diese krude These keinen Anhaltspunkt, und auch Emmerich begeht nicht den naiven Fehler, diesen Verschwörungstheoretiker-Schmonzes als Wahrheit zu verkaufen. Im Gegenteil! In "2012" macht er eine gigantische Sonneneruption zum Ausgangspunkt einer verhängnisvollen Kettenreaktion.
Bereits 2009 schlagen indische Wissenschaftler Alarm. Die Weltpolitik hält den Jüngsten Tag allerdings geheim und baut in der chinesischen Wüste gigantische Archen, auf denen rund 400000 Menschenkinder die Art erhalten sollen. Geschickt verdichtet Emmerich die Entdeckung des Unheils und die Vorbereitungen zur Schadensbegrenzung zu einer stimmungsvollen Schreckensouvertüre: Evakuierungspläne werden entworfen, wichtige Kunstschätze aus den Weltmuseen geborgen und finanziell potente Gönner um Spenden gebeten - im Tausch für ein Ticket zum Überleben.
Beim Durchlesen des Angebots schluckt ein Scheich, er fände eine Milliarde Dollar dann doch etwas happig, woraufhin ihn der Unterhändler verschämt korrigiert, dass es sich um Euro handele. Diese kleinen Seitenhiebe auf die bisweilen anmaßende Supermacht USA kann Emmerich sich dann doch nicht verkneifen.
Andererseits macht er auch keinen Hehl daraus, dass sein Film in erster Linie für das amerikanische Publikum gemacht ist. John Cusack gibt den Normalo-Helden, Typ verkrachter Künstler, dem die Frau (Amanda Peet) weggerannt ist und dessen Kinder nichts von ihm wissen wollen. Im Grunde ist das nur eine weitere Variation des verzweifelten Durchschnittsbürgers, der im Angesicht der um sich greifenden Panik über sich hinauswächst. Zuletzt verkörperte Tom Cruise diesen Stereotyp in Steven Spielbergs vergurktem "Krieg der Welten" (2005). Cusack darf allerdings ein bisschen witziger sein, als es der moralinsaure Cruise mit starrer Leidensmiene war.
Die anderen Sprechrollen sind lediglich Erfüllungsgehilfen im Sinne der überbordenden Bildgewalt, die Emmerich über dem Zuschauer ausschüttet. Sinn und Verstand sind hier längst über Bord, was zählt ist die opulente Animations-Oper aus der CGI-Schmiede.
Und perfekter kann Effektkino nicht sein, auch wenn das Skript bisweilen schmerzhafte Worthülsen bereithält. Vor allem, wenn der US-Präsident (Danny Glover) seinen pathostriefenden Monolog über Solidarität und Menschlichkeit hält, holt man sich am besten einfach eine neue Tüte Popcorn.
Wertung: 4 von 5 Punkten