Die Narben der Vergangenheit
„Schande“ des Nobelpreisträgers für Literatur J.M. Coetzee kommt mit John Malkovich ins Kino.
Düsseldorf. "Halte Dich an Deine eigenen Leute", rät jemand Literaturprofessor David Lurie (John Malkovich), der in Kapstadt eine Affäre mit einer farbigen Studentin anfängt. Auch Jahre nach dem offiziellen Ende der Apartheid in Südafrika sind die Gräben zwischen den Rassen tief.
Davon erzählt Literaturnobelpreisträger J. M. Coetzee in seinem mehrfach ausgezeichneten Werk "Schande". Nun kommt der großartige Roman auf die Leinwand. Und dem australischen Schauspieler und Regisseur Steve Jacobs ist es gelungen, die komplexen Fragen nach Schuld und Vergebung, Opfer und Täter, Rückbesinnung und Neuanfang, zu denen es in Südafrika keine einfachen Antworten gibt, auf der Leinwand in verstörende Bilder umzusetzen.
John Malkovich ist das gewichtige Zentrum des Films, um ihn drehen sich die Ereignisse. Er spielt einen Mann mittleren Alters in der Sinnkrise zwischen Resignation und Neuanfang. Malkovich stemmt die facettenreiche Rolle mühelos, lässt den abgründig-arroganten Verführer aus "Gefährliche Liebschaften" genauso aufblitzen wie den aufbrausenden Ex-CIA-Agenten aus "Burn after Reading".
Als zweifach geschiedener und vom Leben gelangweilter Literaturprofessor sucht er Abwechslung in einer Affäre mit einer Studentin. Diese gibt sich ihm nur widerwillig hin. Als das Ganze auffliegt, kommt Lurie vor ein Universitätstribunal. Er gesteht in etwas überheblicher Art seine Schuld, aber empfindet keine Reue.
Als er entlassen wird, zieht er sich zu seiner lesbischen Tochter Lucy (Jessica Haines) aufs Land zurück. Sie betreibt eine kleine, einsame Farm, nur unterstützt von dem schwarzen Mitarbeiter Petrus (Eriq Ebouaney), dem ein Teil des Landes vom Staat zugesprochen wurde und der sich gerade selbst dort ein Haus baut. Eines Tages werden Vater und Tochter von drei jungen Männern überfallen und Lucy vergewaltigt. Ein schmerzhafter Wendepunkt im Leben der beiden.
Während Lucy danach zur Tagesordnung übergehen will, sinnt der Vater auf Vergeltung, zumindest auf Gerechtigkeit, und schaltet die Polizei ein. Doch es stellt sich heraus, dass einer der jungen Männer mit Lucys Mitarbeiter Petrus verwandt ist, mit dem sie weiterhin friedlich das Land, das sie als ihre Heimat empfindet, teilen will. Kann man nach so einer Tat zur Tagesordnung zurückkehren, als sei nichts geschehen?
Kann man die Schande, ein Opfer geworden zu sein, ertragen? Können die Narben der Vergangenheit jemals verheilen? Das sind Fragen, die Coetzee aufwirft, wenn er gleichermaßen schonungslose Einblicke gibt in persönliche Abgründe wie in die politischen Machtverhältnisse einer zerrissenen Gesellschaft.
Der Roman erhielt 1999 den Booker-Prize. Der Film wurde vergangenes Jahr auf dem Filmfest in Toronto ausgezeichnet. Zu recht. Denn Steve Jacobs ("Die schöne Spanierin") konzentriert sich einerseits auf das intime Drama und die subtilen Probleme seiner Protagonisten. Andererseits setzt er die Weite der wunderschönen Landschaft Südafrikas dagegen.
Man spürt, worum es den Menschen dort geht, warum jeder sich an dieses Land gebunden fühlt und für diesen Ort kämpfen möchte. Man begreift aber auch etwas davon, wie tief die Konflikte sitzen und warum das Zusammenleben so schwer ist.