Drama: "Machtlos" - Die Wahrheit ist zweitrangig

Gavin Hood zeigt mit „Machtlos“, wie der Kampf gegen den Terror sein Ziel pervertieren kann. Schnörkellos führt er mehrere Schicksale zusammen.

Düsseldorf. Er solle ihnen nur kurz folgen, wird Anwar El-Imbrahimi (Omar Metwally) am Chicagoer Flughafen von zwei Polizisten gebeten. Ob etwas mit seiner Frau sei, fragt er besorgt, bevor ihm ein dritter Beamter in einem Nebenraum einen Sack über den Kopf stülpt. Was für den ägyptischstämmigen US-Ingenieur folgt, ist wochenlange Gefangenschaft, initiiert vom amerikanischen Verteidigungsministerium, das nach den Drahtziehern eines Terroranschlages auf dem vollbesetzten Marktplatz einer nordafrikanischen Metropole fahndet. El-Ibrahimi ist der Topverdächtige, in erster Linie, weil sich auf der Anrufliste seines Handys die Nummer eines weltweit gesuchten Sprengstoffexperten findet. Ein dummer Zufall, beteuert der verzweifelte Mann - zumindest vorerst. Irgendwann aber bricht die Folter seinen Willen. Gavin Hood, Regisseur des wehleidigen Gesellschaftsdramas "Tsotsi", liefert mit "Machtlos" ein geschickt gesponnenes Ensemblestück: Während die Leiterin der Anti-Terror-Einheit Whitman (Meryl Streep) alles daran setzt, die Verschleppung zu vertuschen, versucht El-Ibrahimis schwangere Ehefrau Isabella (Reese Witherspoon) an Informationen über den Verbleib ihres Mannes zu gelangen. Dafür wendet sie sich an ihren alten Studienfreund Alan (Peter Sarsgaard), der als rechte Hand von Senator Hawkins (Alan Arkin) gerade die Karriereleiter im Sturm nimmt. Im Folterkeller wohnt derweil CIA-Analytiker Freeman (Jake Gyllenhaal) den Verhören als neutraler Beobachter bei. Mehr und mehr wachsen in ihm die Zweifel an El-Ibrahimis Schuld.

Diensttreue Beamte verlieren ihren Glauben an den Rechtsstaat

Hood gelingen diese Sequenzen seines Films schnörkellos. Anders als Robert Redford, der mit "Von Löwen und Lämmern" die streitbare US-Außenpolitik in einen wohlfeilen, aber inhaltsleeren Debattierclub verwandelt, stellt er keine bedeutungsschwangeren Fragen. Vielmehr zeigt er anhand der lose miteinander verknüpften Schicksale auf, dass der Kampf gegen den Terror sein prinzipiell hehres Ziel pervertieren kann, wenn unbescholtene Bürger und diensttreue Beamte ihren Glauben in den Rechtsstaat verlieren. Nicht alle Handlungsstränge sind ausgegoren. Gyllenhaals CIA-Agent verliert sich zu sehr im whiskeygetränkten Weltschmerz. El-Ibrahimis Ehefrau, wenn auch von Witherspoon einfühlsam gespielt, bleibt im inszenatorischen Bestreben, den Erzählläufen gleichwertigen Spielraum zu bieten, an der Oberfläche. Wahrscheinlich ist auch genau das der Fehler: Hood orientiert sich zu sehr am zersplitterten Dokudrama-Stil von Drehbuchautor und Regisseur Stephen Gaghan, der mit "Traffic" und "Syriana" moderne Politthriller-Klassiker schuf. Entscheidend ist allerdings das Gesamtbild, und das ist stimmig. Letztendlich scheitern alle Akteure an der wackeligen Mauer aus bemühten Verdachtsketten und politischen Schutzbehauptungen. Ohne den Hauch einer menschlichen Regung lässt Terrorexpertin Whitman die flehende Isabella im Behördengang stehen, im festen Bewusstsein, zum Wohle der Nation das Richtige zu tun. Die Wahrheit ist in diesem Geflecht zweitrangig. Wichtig scheint nur noch, wer vor und wer hinter der Mauer steht.
(WZ-Wertung: 4 von 5 Sternen)
Daten und Fakten