"Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage": Stille Zeugen einer Abtreibung

Der Film „Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage“, Gewinner der Goldenen Palme, zeigt Rumänien zu Ceauscescu-Zeiten.

Hamburg. Filmfestspiele sind manchmal Schauplätze von ganz realen Wundern. Als beim Festival von Cannes im Mai am zweiten Tag ein kleines rumänisches Drama im Wettbewerb lief, waren Publikum und Jury so tief berührt, dass die stille Energie von "Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage" bis zum Schluss nachhallte. Völlig zu Recht gab es für den Regisseur Cristian Mungiu die Goldene Palme.

Mit winzigem Budget hat Mungiu, der auch das Drehbuch geschrieben hat, etwas Großes geschaffen: In fast dokumentarischem Stil erzählt er eine Geschichte aus seiner Heimat gegen Ende der 80er Jahre, kurz vor dem Zusammenbruch des Ceaucescu-Regimes. Die Studentin Gabita ist ungewollt schwanger, Abtreibung zu jener Zeit aber streng verboten. Die junge Frau und ihre beste Freundin Otilia suchen in einem schäbigen Hotelzimmer die Hilfe eines illegalen "Engelmachers".

Der knapp zwei Stunden lange Film beschränkt sich auf diesen einen Tag der Abtreibung. Mungiu, 1968 in Iasi in Rumänien geboren, erzeugt dabei mit raffinierten Mitteln die Spannung eines Thrillers. Es beginnt morgens im Studentenwohnheim, wo Gabita auf dem Bett rumhängt und die blonde Otilia die Initiative ergreift. Zuerst weiß man nicht, worum es geht, doch irgendwann wird klar: Otilia ist es, die mit verzweifelter Courage die Abtreibung für die wie unter Schock stehende Schwangere organisiert und dabei selbst den Knast riskiert. Bis zum Schluss behält der Film die Perspektive der Freundin bei, deren Nöte von Anamaria Marinca sagenhaft kontrolliert gespielt werden: Sie besorgt Bestechungszigaretten der Westmarke "Kent", sie erkämpft ein Hotelzimmer, sie verhandelt mit "Mr. Bebe", dem Mann, der den Abbruch vornehmen soll. Otilia steht sogar mit ihrem Körper für die Freundin ein. Denn als "Mr. Bebe" bemerkt, dass deren Schwangerschaft schon weit über den dritten Monat hinaus ist, fordert er nicht nur mehr Geld, sondern auch Sex mit beiden Frauen.

Mungiu geht mit der Ungeheuerlichkeit dieser Situation so nüchtern und realistisch wie möglich um. Er übertreibt nichts, sondern macht das Publikum zu stillen Zeugen. Die von Oleg Mutu geführte Kamera ist zumeist auf Augenhöhe mit den Darstellern und rückt ihnen nie voyeuristisch auf die Pelle. Das Publikum hockt mit den verzweifelten Frauen auf dem Badewannenrand im schäbigen Hotel und folgt Otilia hinterher durch ihren unfassbar stressigen Rest des Tages.

"Lass uns nie wieder hierüber sprechen", verabreden die Freundinnen, als alles überstanden ist. Wie gut, dass Mungiu das Schweigen bricht und dabei weit über sein Kernthema hinausgeht.