Endlich mal richtig peinlich

Das Musical „Mamma Mia!“, das sämtliche Songs der Kultband Abba vereint, ist als Film ein ansehnlicher Spaß – dank Meryl Streep.

Düsseldorf. Diese Rolle, räumte Meryl Streep ein, habe sie vor allem angenommen, weil sie ihrer Tochter beweisen wollte, dass sie auch richtig peinlich sein kann.

Das ging schon mal gründlich schief. Die Streep wird nie peinlich sein. Selbst wenn man sie einen Kochtopf spielen lassen würde, sähe man es relativ schnell dampfen. Sie ist nicht umsonst die einzige Hollywood-Schauspielerin, die seit über 30 Jahren konstant im Geschäft ist.

Auch in "Mamma Mia!", der Kinoversion des Erfolgsmusicals, das sämtliche Abba-Erfolgssongs vereint, wird sie ihrem Ruf gerecht. Eröffnet Pierce Brosnan erschreckend blass das Duett, schmettert sie mit dreifacher Inbrunst zurück.

Verkünstelt sich Filmtochter Amanda Seyfried dabei, die quirlige Unschuld zu mimen, relativiert die Streep das Overacting mit einer hochgezogenen Augenbraue. Und droht die statische Inszenierung in lachhaften Mummenschanz zu kippen, dreht sie in ihrer Rolle als existenzialistische Lebenskünstlerin Donna erst richtig auf.

Für den Film ist sie so etwas wie der Fels in der seicht schäumenden Brandung der Ägäis-Insel, auf der sich der Reigen abspielt. Phyllida Lloyd, als Inszenatorin des Bühnenoriginals erprobt, als Leinwandregisseurin aber eine blutige Anfängerin, macht keine Experimente. Ohne Sinn für die Möglichkeiten des Kinos hält sie die Kamera stumpf drauf, wenn das Ensemble aufgekratzt über die Insel hüpft. Das raubt selbst Sequenzen, in denen Hundertschaften das Bild belagern, jegliche Dynamik.

Der Zuschauer macht sich dadurch über die Story mehr Gedanken, als ihr gut tut. Denn die Geschichte von der jungen Sophie (Seyfried), die von ihrer liebevoll durchgeknallten Mutter (Streep) allein großgezogen wurde und sich zu ihrer Hochzeit nichts sehnlicher wünscht, als ihren Vater kennen zu lernen, bewegt sich knapp vor der Schmerzgrenze.

Drei Galane (Brosnan, Colin Firth, Stellan Skarsgard) kommen in Frage. Mit ihnen hat Donna den Sommer der Liebe in vollen Zügen genossen. Entsprechend mühsam fällt die Identifizierung des Erzeugers aus. Sophie schickt kurzerhand an alle drei eine Einladung. Mehrstimmig singt sich’s schließlich besser.

Erst recht bei Abba. Fast alle dieser mitreißenden Ohrwürmer, deren komplexe Strukturen sich immer erst auf den zweiten Blick erschließen, sind wie ein kleines Wiedersehen.

Das nostalgische Wohlgefühl stellt sich zwar erst mit Verzögerung ein, weil der Film mit zwei eher schwächeren Nummern ("I Have A Dream", "Honey, Honey") eröffnet. Bei Songs wie "The Winner Takes It All" oder "S.O.S." wird allerdings schnell wieder klar, warum selbst Rock-Urgestein Jimmy Page (Led Zeppelin) ehrfurchtsvoll vor Abba den Hut zieht, wie er heutzutage gerne zugibt. In den 70ern wäre das ein Sakrileg gewesen.

Auch Meryl Streep kennt das Gefühl, Hits wie "Waterloo" damals eher heimlich gehört zu haben. Ihre sichtliche Spielfreude, die sie in ihre Rolle als Frau zwischen drei Männern legt, ist da wohl so etwas wie späte Rache. Die Zornesröte im Gesicht, aber die alte Backfischunsicherheit wieder im Bauch, schleicht sie sich aufs Dach des Hotelzimmers, in dem die Verflossenen wohnen, während sie eingerahmt von einem zehnköpfigen Backgroundchor "Mamma Mia" knödelt.

Niemand, wirklich niemand könnte die Leinwand in solchen Momenten sinnhaft füllen. Außer der Streep! Warum? Weil ihr einfach nichts peinlich ist.